Gemeinsamer Markt Transatlantien

Freihandelszone Wenn die EU-Unterhändler nicht dagegen halten, dann fallen mit den Zollschranken zwischen Nordamerika und Europa auch viele soziale Standards
Ausgabe 28/2013
Umschlagplatz für den Welthandel: der Hamburger Hafen
Umschlagplatz für den Welthandel: der Hamburger Hafen

Foto: Krafft Angerer/ AFP/ Getty Images

Akronyme wie TTIP oder TATA wird man sich merken müssen. Dahinter verbirgt sich das Trans-Atlantic Trade and Investment Partnership und das Trans-Atlantic Trade Agreement, und beide werden politisch künftig eine große Rolle spielen. Denn seit dieser Woche verhandeln die USA und die EU über eine transatlantische Freihandelszone. Kanzlerin Angela Merkel kann sich bestätigt fühlen. Ein Projekt, das sie seit Jahren propagiert hat, nimmt nun Gestalt an. Abhörskandal hin oder her: Zu viel steht für beide Seiten auf dem Spiel.

Mit TTIP/TATA entsteht die größte Freihandelszone der Welt. Staaten wie Kanada und Mexiko und die momentanen EU-Beitrittskandidaten sind ebenso dabei wie die USA und die 28 EU-Mitgliedsländer. Es geht um den Gemeinsamen Markt Transatlantien und damit um eine kapitalistische Weltmacht, der kein anderer Staatenbund und keine andere Region gewachsen sein wird. Deshalb werden Goldene Berge – fast 200.000 neue Jobs für Deutschland, 500.000 für die USA, dazu ein Wohlstandsschub von bis zu 15 Prozent Wachstum – versprochen. Wirtschaftsverbände und liberale Ökonomen beschwören den Erfolg des Mammutprojekts. Von den Brosamen einer erneuerten Prosperität werde man Verlierer wie Japan leicht entschädigen können.

Sollte irgendwann der Freihandelsvertrag unterschrieben sein, dürfte der EU-interne Handel neu sortiert werden, wollen Großbritannien und die USA zu den großen Gewinnern gehören, aber auch die südeuropäischen Länder und Deutschland. Als Verlierer gesetzt sind die Schwellen- und Entwicklungsländer, dazu Russland, China, Indien und Brasilien. Es geht um den Abbau der verbliebenen Industrie- und Agrarzölle, bei einem transatlantischen Handelsvolumen von derzeit 860 Milliarden Euro. Wichtiger freilich erscheinen „nichttarifäre“ Handelshemmnisse wie Produktstandards, Verbraucherschutzvorschriften, Umwelt- und Sozialnormen. Weil Europa und die USA dort bisher weit auseinanderdriften, liegen die Vorteile einer Harmonisierung auf der Hand. Deutsche Auto-, Maschinen- und Elektrogerätebauer hoffen, Milliarden einzusparen, wenn sie das gleiche Produkt in Zukunft nur noch in einer Version produzieren. Nur wenig bleibt ausgeklammert, etwa die Film- und Musikproduktion.

Auf beiden Seiten verhandeln glühende Verehrer des Freihandels. Sie teilen mit transnationalen Konzernen die Auffassung: Umweltschutz, Arbeitsrecht oder Sozialstandards seien nicht gut für das Geschäft. Was mit der Agenda 2010 gelungen ist – in Deutschland teilweise „amerikanische Arbeitsmarktverhältnisse“ zu etablieren – kann jetzt flächendeckend auf die EU übertragen werden. Begründung: Sonst werde man der Konkurrenz aus Übersee hoffnungslos unterlegen sein. Dennoch bleibt eine kleine Chance, ein soziales und grünes Europa gegen den transatlantischen Rivalen zu behaupten.

Seit dem 8. Juli 2013 jedenfalls wissen die 159 Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation WTO, was die Stunde geschlagen hat. Sie sind gezwungen, ihrerseits den Welthandel zu liberalisieren, wollen sie nicht von der neuen Weltwirtschaftsmacht EUSA überrollt werden. Und auch die BRICS-Staaten – Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika – müssen sich entscheiden, ob sie geschlossen einem monolithischen Handelsblock entgegentreten oder einzeln untergehen wollen.

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