Gentrifidingswumms

Krimi Tod einer Maklerin: Rob Alefs neuer Roman „Immer schön gierig bleiben“ ist erschienen. Darin macht er aus dem Treptower Park eine Müllhalde inklusive Innenstadtslum
Ausgabe 51/2013
Gentrifidingswumms

Foto: David McNew/ AFP/ Getty Images

Nun ist die Gentrifizierung also endlich auch in der Kriminalliteratur angekommen. Immer schön gierig bleiben heißt der neue Roman des in Berlin-Friedrichshain ansässigen Schriftstellers Rob Alef, der gerne eine Prise Fantastik oder Science-Fiction in seine Bücher streut. In diesem Fall macht er aus dem Treptower Park eine Müllhalde inklusive Innenstadtslum. Wohnungsnotstand ist in diesem Krimi, in dem der Mord an einer toten Maklerin aufgeklärt werden soll, ein Schicksal, das interessanterweise vor allem das halbe Dutzend Polizeibeamte von der Mordkommission teilen. Denn die leiden alle unter der Knute des Vermieters oder ihre Wohnung entspricht keineswegs ihren Bedürfnissen.

Bei Chefermittler Pachulke zum Beispiel droht der Parkettboden des Wohnzimmers wegen der sündteuer-exquisiten und gigantischen Plattensammlung durchzubrechen. Die lesbische Jungkommissarin soll ihre spektakulär billige Altbauwohnung auf der Schöneberger Roten Insel verlieren, weil der Vermieter Eigenbedarf für die hippe Neu-Berliner Tochter anmeldet. Und der rechtslastige, muskelgestählte Trottel des Teams, der seine mit Fitnessgeräten angefüllte Wohnung gerne als Boot-Camp bezeichnet, schmeißt ständig Gewichte auf den Boden, sodass beim Nachbarn der Putz bröckelt und ihm fristlos gekündigt wird.

Als diese Truppe dem Mörder einer Kiezaufwerterin wie aus dem Bilderbuch nachstellen muss, sind dennoch alle Beteiligten hoch motiviert. Erst mal geht es folgerichtig nach Friedrichshain, ein bisschen die linke Szene aufmischen. Als dabei nichts verwertbares herauskommt, müssen sie dann aber doch ernsthaft minutiöse kriminalistische Rekonstruktionsarbeit leisten, um die Umstände des Mordes aufzuklären. Je länger die Ermittlungen andauern, desto klarer wird, dass die Immobiliengeschäfte der Toten wenig mit dem Mord zu tun haben.

Das Berlin der Zukunft

Rob Alefs Ermittler sind skurrile Berliner Originale. Ihr Chef haut bei Auktionen seinen Lohn für seltene Platten auf den Kopf, die Kollegen verehren den Schauspieler Steven Seagal wie einen Halbgott, und wenn sie nicht gerade auf dem Dach ihres Container-Kommissariats im selbst gebauten Pool herumplantschen, durchstreifen sie ihre Stadt in Gänze. Eine wichtige Komponente für die Aufklärung des Verbrechens ist schließlich der Bus der Linie 104, der vom Charlottenburger Westend über Schöneberg und Neukölln bis Alt Stralau verkehrt und sozusagen die Ost-West-Premium-Stadtrundfahrt für Berliner Nebenstraßen in touristisch kaum erschlossene Gegenden bietet. Die Busfahrten des Chefermittlers Pachulke werden zu detailgenauen Studien der sozialökonomischen Straßenlandschaften, wobei auffällt, dass im Westen die Dichte an Filialen der Feinkostkette Butter Lindner deutlich zunimmt.

Am Ende wird der Mord natürlich aufgeklärt, nicht zuletzt durch die Unterstützung eines genialen Wissenschaftlers, der auf der mehrere Quadratkilometer großen Müllhalde im ehemaligen Treptower Park lebt, und zwar in der Statue des sowjetischen Ehrenmals. Immer schön gierig bleiben ist nämlich nicht nur ein flott geschriebener, stimmiger Berlin-Krimi. Das Buch bietet, obwohl es ganz bieder im Hier und Jetzt angesiedelt ist, auch einen kurzen, schrägen Blick in ein Science-Fiction-artig verzerrtes Zukunfts-Berlin, ohne dabei aufgesetzt oder irgendwie blöd daherzukommen. Und das liegt einfach daran, dass Rob Alef mit viel Gespür an seine eigentliche Hauptfigur herangeht und sie ganz ungezwungen entwickelt: Berlin, wie es ist und einmal werden könnte.

Immer schön gierig bleiben Rob Alef Rotbuch-Verlag 2013, 333 S., 14,99 €

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