Getrennte Wege

Umwelt Täglich entstehen weltweit viele Millionen Liter Abwasser. Forscher wollen dieses verschwenderische System nun revolutionieren
Alltägliche Ressourcenverschwendung: die Toilettenspülung
Alltägliche Ressourcenverschwendung: die Toilettenspülung

Foto: Christof Koepsel/Getty Images

Fließendes Wasser und Toiletten gelten aufgrund ihres entscheidenden Beitrags zur öffentlichen Gesundheit in den Städten zurecht als der größte medizinische Fortschritt der vergangenen 150 Jahre. Sie verschwenden aber auch wertvolle Ressourcen. Zum einen werden große Mengen an aufwändig aufbereitetem Leitungswasser verschwendet. Außerdem werden Stickstoff, Phosphor und andere Nährstoffe, die in unserer Nahrung enthalten sind, mit dem Abwasser mitgeführt und gelangen so in die Gewässer. Daraus resultiert Nährstoffanreicherung und, in der Folge, übermäßiges Algenwachstum.

Zusätzlich führt die Verwendung von Arzneimitteln und Pflegeprodukten, die mit unserem wachsenden Wohlstand einhergeht, dazu, dass hormonähnliche Substanzen – sogenannte endokrine Disruptoren – ins Abwasser gelangen und als Mikroverunreinigungen in Flüssen und Seen zurückbleiben. Wir brauchen daher dringend neue Sanitäranlagen, die weniger Ressourcen verbrauchen, deren Wiederverwertung ermöglichen und Ökosysteme in Gewässern schützen. Dies erfordert allerdings eine so große Veränderung von kulturellen Einstellungen, persönlichem Verhalten und städtischer Infrastruktur, dass solche Anlagen heute nicht ohne weiteres in unseren Städten realisierbar wären.

Besser gar nicht erst ins Wasser

Trotzdem scheint es lohnenswert, die Urintrennung weiter zu erforschen. Denn den nährstoffreichen Urin direkt an der Toilette zur Wiederverwendung zu sammeln und ihn somit gänzlich aus dem Abwassersystem herauszuhalten ist weitaus sinnvoller, als die im Urin enthaltenen Nährstoffe mit allem anderen zu vermischen, um sie dann in einer Kläranlage wieder aufwendig auszusondern. Zudem: Sind die Nährstoffe und Mikroverschmutzungen einmal in die Gewässer gelangt, überdauern sie dort wesentlich länger, als wenn man sie beispielsweise ins Erdreich verbringt, wo sie von den darin enthaltenen Organismen mit größerer Wahrscheinlichkeit abgebaut werden und außerdem als Dünger höchst willkommen sind.

Ein preisgekröntes Projekt am Institute for Sustainable Futures der University of Technology Sydney (UTS) hat der Tatsache Rechnung getragen, dass der Übergang hin zu nachhaltigeren Sanitätssystemen mehr ist als eine Frage der Technologie. Ein solcher Übergang erfordert einen Wandel von kulturellen Einstellungen und Praktiken ebenso wie eine Veränderung von Gesetzen, Institutionen und Märkten.

Das Forschungsprojekt hat ein breites, interdisziplinäres Team von Mitarbeitern zusammengebracht, darunter Wissenschaftler aus den Bereichen Design, Städtebau, Ingenieurswesen, Recht und Landwirtschaft. Beteiligt waren darüber hinaus als Partner auch der Wasserversorger Sydney Water, der Badartikelhersteller GWA Group und der Australische Dachverband der Pflanzungs- und Gartenindustrie. Von staatlicher Seite kam Unterstützung vom australischen Gesundheitsministerium und der Aufsichtsbehörde des Sanitär- und Klempnerwesens.

Vorzeigeprojekte

Zwei Modelle schwedischer Urintrenn-Toiletten wurden im elften Stock des Institute for Sustainable Futures in Probebetrieb genommen. Dabei ging es in erster Linie darum, Erfahrungen mit Nutzerverhalten und den Installationsproblemen rund um die Toiletten zu sammeln. In einer Herrentoilette im Erdgeschoss wurden wasserfreie Urinale in Verbindung mit einem Urin-Sammelbecken installiert. Um die Wirkung von Urin auf verschiedene Pflanzen zu testen, wurde auch ein kleiner landwirtschaftlicher Feldversuch durchgeführt. Ein weiterer Forschungsstrang widmete sich der visuellen Kommunikation mit Nutzern, zu denen auch Studenten gehörten, die eine Reihe von Materialien wie Informationsposter und Logos entworfen hatten. (Ein entsprechendes Video ist verfügbar unter vimeo.com/13365354).

Zwar ist es noch ein weiter Weg, bis die Urintrennung im großen Stil realisierbar ist. Dessen ungeachtet können bei einem Neubau die notwendigen Rohre mit minimalem finanziellem Mehraufwand mit eingebaut werden. So wird das neue Engineering und IT-Gebäude, das gegenwärtig an der University of Technology in Sydney gebaut wird, über eine separate Urinleitung verfügen. Die Planer des Sydneyer Stadtteils Bangaroo, einem ehemaligen Frachthafen, der in ein Geschäfts-, Wohn- und Naherholungsgebiet umgewandelt wird, wollen diesem Beispiel folgen, um so die Zukunftsfähigkeit ihrer Geschäftsgebäude unter Beweis zu stellen.

Die Autorinnen lehren und forschen am Institute for Sustainable Futures der University of Technology Sydney. Der Text erschien auf dem Blog The Conversation : bit.ly/PPDGai

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Übersetzung: Holger Hutt

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