Die Frage „Was ist links?“ wurde nach dem Ende der Sowjetunion in Deutschland gern auf Englisch gestellt. „What is left?“ – Was ist übrig geblieben? Heute kann man sagen: Zumindest die Impulse, die einst viele Menschen veranlassten, linken Programmen zu vertrauen, die sind immer noch da. Sie sind sogar stärker geworden. Aber sie werden wirksam abseits der auf Parlamentarismus und Regierungsfähigkeit hin organisierten Politik. Attac ist eine sammelnde Kraft für linke Impulse. Die Occupy-Bewegung schien es werden zu können. Links darf man auch immer noch die Tendenz nennen, das im Blick zu haben, was für alle gilt. Leute also, die nicht nur Spezialinteressen verfolgen, wie es bei den Protestlern der Fall ist. Und die paradoxerweise populistisch genannt werden, aber immer nur Teile der Bevölkerung erreichen, wenn diese auch bei Wahlen kleine Erfolge erringen können und deshalb eine Rolle spielen.
Die Grünen waren als Umweltschutzpartei trotz des Spezialthemas eine Partei, die für etwas stritt, das alle anging. Dies wurde früh begriffen im bürgerlichen Lager, und aus diesem bezogen die Grünen früh viele ihrer Protagonisten. Aber auch aus der linken Hinterlassenschaft der Studentenbewegung kamen zahlreiche Mitstreiter, die für die Parteiorganisation wichtig wurden, weil sie etwas von Hierarchie und Disziplin verstanden. Was sie aber über das hehre Ziel hinaus einte, war die Abneigung gegenüber der CDU, jener Partei, die ihnen mit Schule, Bundeswehr und einer Universität von vorgestern die Jugend trübe gemacht hatte. Links sein hieß nun: die CDU ärgern. Gesellschaftspolitik, Bildungspolitik und Friedenspolitik brachten Grüne mit der SPD zusammen, aber sie blieben dabei doch bürgerlich, was sich immer dann zeigte, wenn sie an Regierungen beteiligt waren oder diese in Kommunen sogar anführten. In den Kommunen übrigens besonders, denn da waren die Grünen auf ihrem bürgerlichen Lebensniveau als Besserverdienende, Beamte, Ärzte, Juristen, Lehrer direkt betroffen. Das Sein bestimmt das Bewusstsein, sagte Marx, der zweifellos ein Linker war.
Die Grünen sollen „eine neue klassische Wirtschaftspartei“ werden, fordert jetzt Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Die alte, die FDP, die in seinem Land einst sehr stark war, gibt es ja nicht mehr. Aber wie die FDP können auch die Grünen den Wirtschaftsinteressen viel geschlossener dienen, als es die vielfältige Union mit ihrem Traditionsballast je konnte. Teile der Union freuen sich über die Grünen schon lange. Bald werden sie sich noch mehr freuen.
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