Dieser Film beginnt mit einer Zither, und er handelt vom großen Zittern. Von der Angst, dass die Berge irgendwann verschwinden könnten. Nicht als topografisches Spektakel, als weltentrückte Szenerie, sondern als durchökonomisierte Erlebnislandschaft, als hochgelegenes Gewerbegebiet. Peak ist ein Film über die Industrialisierung der Alpen und das Versiegen ihrer wichtigsten Ressource. Längst sind Schneemacher die Alchemisten des dortigen Pauschaltourismus, „technische Beschneiung“ heißt ihr Geschäft.
Begleitet von der Zither singt ein alpines Trachtenpaar volkstümlichen Wirrsinn: „Und das Wasser ist so würzig und die Luft so klar und rein/darum sind wir schön gewachsen/nicht zu groß und nicht zu klein“. Es bl
klein“. Es bleibt ein singulärer Moment der Ironie, des grellen Scherzes in einem ansonsten schmerzhaft ernsten, in der analytischen Kälte seiner Bilder fordernden Film. Dann legen sich die Dieselmotoren der Pistenraupen über die Musik – und das Getöse einer Großbaustelle. Ganz oben am Ötztaler Gletscher wird ein riesiges Becken betoniert, Wasserspeicher für die Beschneiungsanlagen.Fire and Ice hießen in den achtziger Jahren Filme, deren Handlung aus nicht viel mehr bestand als aus akrobatischen Skipirouetten unter gletscherblauem Glitzerhimmel. In Peak sind es nun die Maschinen, die tanzen. Das Ballett der Kettenbagger, die Polonaise der Liftkabinen, die Choreografie der Pistenbullis. Und die skianzugbunten Menschen, die im Dutzend aus dem Lift geworfen werden, bewegen sich seltsam roboterhaft.An den SchläuchenDer Berg ruft, so lautete das Credo der Heimatfilme und Bergsteigermelodramen. Doch diese Berge rufen nicht mehr. Stattdessen werden sie von den Menschen permanent herbeizitiert, sie haben zur Verfügung zu stehen. Und so erinnern die erodierten, wundgewetzten Bergkuppen und annähernd vegetationslosen Hänge an das stumpfe Fell und die ausgemergelten Körper von Zirkus-Bären und Zoo-Leopoarden. Ein passendes, ein schauriges Bild: Dort das domestizierte und präsentierte Tier, hier die zur Eventlocation degradierte Landschaft. Man ist fast versucht, einen Akt der Gnade darin zu sehen, dass die riesengroße Eismaschine angeworfen wird und die vernarbte Welt unter balsamierendem Kunstschnee versiegelt.Es gibt eine Szene in Die Truman Show (1998), in der Jim Careys Figur ein Bühnenscheinwerfer vor die Füße fällt und er zu ahnen beginnt, dass er in einer künstlichen, weil medial inszenierten Welt lebt. Ähnlich ergeht es einem Wanderer, der des Sommers die übernutzten Skihänge hinaufkraxelt und über einen aus dem Boden ragenden Wasserhahn stolpert. Oder unter den Latschenkiefern die Windungen eines Kunststoffschlauchs entdeckt – Infrastrukturmaßnahmen für die Schneekanonen. „In den letzten fünf Jahren wurden in die technische Beschneiung 50 Millionen Euro investiert“, konstatiert in Peak ein Touristiker mit der postmoralischen Logik eines Managers, der eben Standortentscheidungen zu treffen hat. Aber kann man einen Landschafts- und Lebensraum, kann man das größte Gebirge Europas nach betriebswirtschaftlichen Kriterien taxieren?Die Alpen hängen an den Maschinen wie ein Intensivpatient. Eine künstlich beatmete, mithin künstlich modulierte Landschaft. Dabei sind es umgekehrt die Menschen, die so abhängig sind vom Berg, dass sie alleine auf die Natur nicht mehr vertrauen. Den Segen dafür holen sie sich beim örtlichen Pfarrer, der die fortwährenden Himmelfahrten der Ötztaler Bergbahnbetriebe schon mal in seine Predigt integriert: „Die Berge hast du fest gegründet. Sie künden deine Größe. Segne die Seilbahnen, die Menschen aus dem Tal in die Höhe bringen, damit sie die Wunder der Schöpfung bewundern können.“In solchen Szenen ist es ein Geschenk, dass der junge Regisseur Hannes Lang in Peak auf jeglichen Kommentar verzichtet. Und dass die Kamera immer ein wenig abseits in der Halbtotalen verweilt. Man sieht die Dinge manchmal mit Abstand genauer, neben dem Pfarrer sind dann auch die Blumenkübel und der Schneematsch im Bild. Das individuelle Handeln wird so als kollektiver Reflex erkennbar. Dabei führt Hannes Lang, 1981 in Brixen in Südtirol geboren und selbst in den Bergen aufgewachsen, niemanden vor. Er führt etwas vor Augen.Bei der HeuernteImmer wieder kontrastiert er die Unwirtlichkeit der Skizirkusarenen und der betonierten Bettenburgen mit der paradiesischen Bergwelt der italienischen Seealpen. Winzige Weiler, steinalte Häuser, alte Menschen. Sind das die Berge unserer Träume? Ein vormodernes Paradies, in dem es zum Risotto selbst gemachten Hüttenkäse gibt und zur Heuernte einzig eine Sense?Indes, diese Exkursionen in Peak führen in eine verschwindende Welt. An Orte, in denen nur noch zwei, drei Alte leben und es an vielem mangelt – an der Jugend, der Arbeit, der Infrastruktur, selbst an Touristen. Es ist die fast 90-jährige Aurelia, der Lang das Schlusswort überlässt: „Die Menschen haben so viele Erfindungen gemacht, sie haben es so weit gebracht. Aber sie haben auch viel zerstört, und zwar die schönsten Dinge. Denn die Liebe gibt es nicht mehr, und auch das Leid ist beinahe verschwunden.“ Am Ende wird auf diese Weise aus Peak ein moralischer Film.