Im Namen der Herren

Homosexualität Der neue Papst hat jetzt sein Herz für schwule Priester entdeckt. Ist das nur Blendwerk oder ist die katholische Kirche wirklich dabei, sich zu ändern?
Ausgabe 32/2013

Papst Franziskus hat vor allem eines: ein beeindruckendes Gespür dafür, was die katholische Welt jetzt braucht: endlich wieder einen Popstar in Weiß. Einen Mann in Rom, der die Massen begeistert. Die Jünger wollen nach den mageren Jahren endlich wieder richtig feiern. Insofern ist Papst Franziskus ein echter Glücksfall für die katholische Kirche. Plötzlich weiß man wieder, was der „Kunde“ wünscht – und füllt die Regale mit spiritueller Alltagskost.

Dass die neue PR-Strategie im Namen des Herrn funktioniert, zeigt auch der weltweit umjubelte neue Zugang des Papstes zum katholischen Dauerbrenner Homosexualität. Da reicht der Satz „Wenn jemand homosexuell ist und guten Willens nach Gott sucht, wer bin ich, darüber zu urteilen?“. Schon liegt die Welt im Freudentaumel. Grundlos – denn nichts anderes haben die Vorgänger auf dem Stuhl Petri gesagt, und nichts anderes steht im Katechismus: Respekt und Zuneigung für homosexuell veranlagte Menschen, null Toleranz für homosexuelle Handlungen. Aber die neue kirchliche Marke „Holy Franz“ funktioniert eben auch in diesem Fall. Was sich auch darin zeigt, dass selbst kritische Plattformen wie „Wir sind Kirche“ in die Jubelgesänge einstimmten und von einem „echten Befreiungsschlag für Priester“ sprachen.

Weißer Rauch

Doch wer befreit hier wen? Dürfen nun homosexuelle Männer, die im Sinne der Glaubenslehre „verantwortlich“ mit ihrer Sexualität umgehen können, künftig zu Priestern geweiht werden? Dazu ein klares: Nein. Dazu müsste ein Dokument des Vatikans aufgehoben werden, demzufolge Männern mit „tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen“ das Priesteramt versagt bleibt. Diese diskriminierenden Schriftstücke als weißen Rauch durch den Kamin der Sixtinischen Kapelle zu jagen, wäre ein echter Befreiungsschlag. So bleiben bis dato nur hübsche Papstworte. Für Betroffene ändert sich nichts. Man darf daher gespannt sein, ob es bei Worthülsen bleibt, oder ob päpstliche Taten folgen werden.

Blickt man in die jüngere Vergangenheit von Papst Franziskus, ist nicht von einem tatsächlichen Homo-Schwenk auszugehen. Der gemeine Katholik ist nämlich offensichtlich geneigt – ganz geblendet vom Weiß des Amtes – die Vergangenheit auszuklammern. Zur Erinnerung: In Buenos Aires leistete ein gewisser Kardinal Jorge Mario Bergoglio noch erbitterten Widerstand gegen die „Homo-Ehe“. In der weltweiten Ausbreitung solcher Gesetze sah der heutige Papst vor Kurzem noch „eine imperialistische Auffassung von Globalisierung“, die „den gefährlichsten Totalitarismus der Postmoderne darstellt“.

Klerikale Kosmetik

Als Bergoglio die Gesetzesvorlage zur gleichgeschlechtlichen Ehe gar als „Teufels-Manöver“ bezeichnete, antwortete Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, diese Kritik erinnere an die Zeiten der Inquisition. Jetzt fern der Heimat, an der Spitze der klerikalen Karriereleiter, plötzlich in Rom eine Lanze für Schwule zu brechen, wirkt mehr als unglaubwürdig: klerikale Kosmetik. Um die Kirche in ein besseres Morgen zu führen, braucht es tiefgreifende Reformschritte.

Markus Rohrhofer schreibt als Kirchenexperte für den österreichischen Standard

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