Im Schneckentempo

Netzneutralität Die Telekom will das Internet drosseln. Das wird die digitale Welt grundlegend verändern. Mit Geld lässt sich künftig eine Art Informationsmonopol kaufen
Ausgabe 19/2013
Telekom-Chef René Obermann hat sich mit seiner Drossel-Ankündigung wenig Freunde gemacht
Telekom-Chef René Obermann hat sich mit seiner Drossel-Ankündigung wenig Freunde gemacht

Foto: Patrik Stollarz / AFP / Getty

Der Aufschrei war absehbar. Die Telekom drosselt ihre Internetzugänge und ganz Deutschland ist empört. Der Traum vom unbegrenztem Surfen ist geplatzt, aber in Wirklichkeit geht es um etwas anderes. Die Netzneutralität ist in Gefahr, und das könnte die Online-Welt grundlegend ändern. Nur: Außerhalb von IT-affinen Kreisen wird das bislang kaum diskutiert.

Die Telekom ist auch 15 Jahre nach der Marktöffnung immer noch der wichtigste Telekommunikationsanbieter in Deutschland, in einigen Regionen Deutschlands gar der Monopolist. Nun kündigte der Konzern an: Wer eine bestimmte Datenmenge im Monat überschreitet, wird abgestraft und surft danach im Schneckentempo. Hieß es zunächst, dass nur Neukunden von der Regelung betroffen seien, machte die Telekom inzwischen klar, dass die Regelung mittelfristig auch Bestandskunden betrifft.

Nischenangebote im Nachteil

Besonders brisant an der Telekom-Ankündigung ist, dass es Ausnahmen geben soll. Für den konzerneigenen Online-Video-dienst Entertain gilt die Datengrenze nicht. Das Ziel ist klar: Videofans sollen Entertain nutzen, weil sie hier keine Angst haben brauchen, dass ihr Internet ausgebremst wird. Ein unschlagbarer Vorteil gegenüber Konkurrenz-Angeboten. Somit nutzt die Telekom ihre Vormachtstellung beim Internetzugang, um auch bei den Videodiensten ihre Wettbewerber auszuschalten. Einen Ausweg gibt es immerhin: Andere Anbieter wie Youtube können sich nach den bisherigen Plänen von der Datenbeschränkung freikaufen.

Was bedeutet das für die Zukunft des Internets? Der Vorstoß der Telekom ist ein groß angelegter Anschlag auf die Netzneutralität, im Internet sollen nicht mehr alle Daten gleich behandelt werden. Bislang kann eine chinesische Webseite genauso einfach abgerufen werden wie eine deutsche. Künftig wird es also schwieriger sein, sich aus Nischenangeboten oder ausländischen Quellen zu informieren. Die chinesische Videoplattform Tudou beispielsweise wird sich wenig für die deutschen Telekom-Kunden interessieren und sich daher wohl kaum von der Datengrenze befreien lassen. Mit viel Geld hingegen lässt sich künftig eine Art Informationsmonopol im Netz kaufen – wenn die Telekom das nicht selber haben möchte.

Der Gesetzgeber ist gefordert

Die Telekom behauptet, nur wenige Nutzer seien von der Datendrosselung betroffen. Dabei geht sie jedoch von heutigen Nutzungsgewohnheiten aus, die Begrenzungen sind aber erst für 2016 geplant. Bis dahin wird ein rapider Anstieg des Datenvolumens im Netz erwartet und das hat vor allem einen Grund: Das Fernsehen verlagert sich ins Netz – in immer höherer Qualität. Das ist der Markt der Zukunft.

Netzaktivisten befürchten bereits ein völlig zersplittertes Internet. Wenn neben der Telekom auch andere Anbieter nachziehen, könnten unterschiedliche Netzanbieter auch mit unterschiedlichen Inklusiv-Services werben. Das Grundprinzip des Internets – mit einem Zugang Zugriff auf alle Inhalte – würde in Frage gestellt. Viele fordern deshalb, die Netzneutralität gesetzlich zu verankern, wie dies in einigen anderen Ländern schon der Fall ist. Holland hat kürzlich ein solches Gesetz beschlossen.

Im Bundestag wurde die Frage bereits in der Internet-Enquete-Kommission debattiert. Zwar waren sich Vertreter aller Parteien einig darin, dass die Netzneutralität gewahrt werden soll, aber Union und FDP sahen keinen Handlungsbedarf. Die Debatte muss wohl neu geführt werden – die Netzneutralität ist so gefährdet wie nie zuvor.

Hanno Böck ist Journalist und Internetexperte

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