In Kochshows geht es nicht ums Kochen

Etikettenschwindel Unternehmensberatung, Psychotherapie und Mutproben. Haute Cuisine wurde von wichtigeren Themen abgelöst
Ausgabe 21/2014
In Kochshows geht es nicht ums Kochen

Ilusstration: Otto für der Freitag

Ehrlich gesagt: Mir fällt zu dieser Sendung nichts ein. Dabei würde sie zu dieser Kolumne passen, die neue Show namens Hell’s Kitchen, die kürzlich bei Sat.1 angelaufen ist. Chef ist Frank Rosin, seit Jahren neben Steffen Henssler einer der TV-Köche, die in nahezu jedem Sendungsformat eingesetzt werden, in dem sich ein Regisseur noch eine weiße Kochjacke wünscht.

So auch in der neuen Show. In der sich zwar alles ums Kochen drehen soll. Mit kulinarischen Dingen haben diese Sendungen aber so viel zu tun wie Tatort & Co. mit echtem Mord und Totschlag. Was für die Zuschauer an sich kein Problem ist, denn sie wissen: Es handelt sich um Fiktion, wenn Ballauf oder Schenk im Einsatz sind. Was aber, wenn Rach und Rosin die Messer zücken? Es hält sich hartnäckig die Vermutung, wenn irgendwo in einem Studio eine zischende Pfanne steht, wäre man nah am echten Leben.

Das ist natürlich Unsinn. Elf sogenannte Prominente ziehen in einen Container, nein, Entschuldigung: in die Gastrovilla. In jeder Folge wird einer vom Küchenchef gefeuert. Man kennt das von Big Brother, Mutproben eingeschlossen. Manch ein Teilnehmer hätte wahrscheinlich auch lieber in Maden gebadet als einem süßen weißen Kaninchen die Haut abgezogen wie in der zweiten Folge der Staffel. Hell’s Kitchen ist also nur eine Fortsetzung des Dschungelcamps mit anderen Mitteln, teflonbeschichtet. Genauso wie The Taste, ebenfalls bei Sat.1 im vorigen Jahr, die Verlängerung von DSDS in die Kulisse Küche gewesen ist. Sogar Schlag den Raab, ein Format, das wegen seines Protagonisten eigentlich vor Imitaten geschützt sein sollte, hat einen Koch-Wiedergänger gefunden. Das heißt dann Grill den Henssler. Hier wird zwar ausgiebig gekocht, aber wie sich Menschen in Stresssituationen auf unpassende Fragen eines Moderators verhalten: Das ist der eigentliche Unterhaltungswert.

Je öfter ich so etwas sehe, desto mehr sehne ich mich nach Alfred Biolek zurück, der in seinen Sendungen noch langatmig deutschem Riesling oder Dosentomaten das Lob sang. Verglichen mit heute war das Bildungsfernsehen.

Der Begriff Kochshow gehört deshalb verboten. Die Küche ist in solchen Sendungen nur Vehikel, um Fernsehformate vom Nimbus des Unterschichten-Fernsehens zu befreien. Wie sehr sich aber das eigentlich Kulinarische aus dem Genre verabschiedet hat, sieht man vor allem, wenn Köche als Entwicklungshelfer unterwegs sind. Hat jemand wie Christian Rach in solchen Sendungen anfangs noch regelmäßig die Kochjacke übergezogen und sich an den Herd gestellt, um Zuschauern und gestrandeten Gastronomen etwa die Zubereitung einer einfachen, aber frischen Tomatensoße vorzuführen, sind heute Konfliktgespräche die Regel, bei denen gern Tränen fließen.

Egal, ob sie eine kesse Lippe riskieren oder als Personalcoach im Einsatz sind: Man hat das Gefühl, im Fernsehen wollen Küchenchefs alles, nur nicht mehr kochen. Im englischsprachigen Food-TV dagegen hat sich ein Genre entwickelt, in dem Profis mit Ambition gegeneinander antreten. Dort gibt es einen richtigen Wettstreit. Im deutschen TV hatte man sich bei Lanz kocht dagegen unter der Ägide von Schuhbeck und Lafer einfach nur lieb.

Wenn man die Fernbedienung aus der Hand legt, lassen sich aber Geschmack und gutes Handwerk weiter einschalten. Schauen Sie doch mal bei You Tube nach. Hoch vergnügliche und oft lehrreiche Clips von scheiternden Hobbyköchen finden sich hier genauso wie Schritt-für-Schritt-Anleitungen für die schwierigsten Rezepte. Und manchmal sogar Menschen mit einem sehr geschmackvollen Humor. Wie Amelia Morris. Ihren Video-Blog Bon Appétempt schalte ich jedenfalls ein, so oft ich kann.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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