Johannes Ponader zu McDonalds

Crowdfunding Warum der Geschäftsführer der Piraten von seinen eigenen Leuten gehasst wird

Es ist ein bewährtes Spektakel: Deutschland sucht seinen Lieblings-Sozialschmarotzer. 2010 war es Arno Dübel, ein schlecht gelaunter, ältlicher Mann. Als „Deutschlands frechster Arbeitsloser“ wurde er durch die Talkshows gereicht. Zweieinhalb „Krisen“ später sitzt nun ein deutlich jüngerer, ruhiger Mann in den Show-Sesseln: Johannes Ponader, Geschäftsführer der Piraten-Partei. Diesmal also einer, der aktiv am Erwerbsleben teilnimmt, wenn auch als Geringverdiener. Einer, der als ehrenamtlicher Partei-Arbeiter dem Aufruf zum „zivilgesellschaftlichen Engagement“ folgt. Einer, der den Do-it-yourself-Befehl der kapitalistischen Gesellschaft zutiefst verinnerlicht hat – und doch dieselben Anfeindungen zu hören kriegt wie einst Arno Dübel: „Geh’ gefälligst arbeiten!“

Interessant ist, dass jene Anwürfe vor allem aus seinem eigenen Umfeld kommen, just in dem Moment, da Ponader sich gegen sein Aufstocker-Dasein als temporärer Hartz-IV- oder ALG-II-Empfänger entschieden hat und private Unterstützer um Spenden bittet. „Crowdfunding“ nennt sich das Prinzip. So wie manche Filmemacher oder Musiker versuchen, ihre Arbeit mit Fan-Zuwendungen zu finanzieren, so spielt Ponader dieses Modell jetzt als Politiker und Mensch durch. Tatsächlich hat er Unterstützer gefunden, die ihm monatlich zwischen fünf und 200 Euro überweisen. Das Kunstwerk, das hier gemeinschaftlich finanziert werden soll, ist nicht weniger als Ponaders Leben. Konsequenter kann man den individualisierten Ideenkapitalismus nicht durchspielen, am eigenen Leib erproben, durch die eigene Seele spülen, der Welt vorführen.

Konsequent ist die Idee auch, weil Ponader als Kämpfer für ein bedingungsloses Grundeinkommen gilt. Viele Prekäre sind immer wieder auf Hilfen zum Lebensunterhalt angewiesen. Doch ein freiberufliches Weiterwirtschaften ist im Hartz-System nicht vorgesehen, mehr als 100 Euro darf ein ALG-II-Empfänger nicht dazuverdienen. Wer es doch versucht, muss sich ständig ab- und anmelden, bis der Nervenkollaps droht oder disziplinarische Konsequenzen.

Genau an diesem Punkt ist Ponader aus der Perfidie des Systems ausgestiegen. Mehr als 1.000 Euro brauche er nicht, den Spendenüberschuss überweise er an die Partei, betont er, und nennt sich auf seinem Twitter-Profil jetzt „Grundeinkommensbezieher“. Was recht kindisch ist. Etwa so kindisch wie die Fabel der Maus Frederick, die er diese Woche bei Sandra Maischberger erzählt hat und die davon handelt, dass es besser ist, Sonnenstrahlen und Farben als Körner zu sammeln. Oder der Umstand, dass er in derselben Sendung plötzlich sagt, es gehe ihm nicht um das bedingungslose Grundeinkommen, sondern um Mindestlöhne. All das zeugt von der Piraten-typischen Hybris, die zwar keine konkreten Ideen bietet, aber zahlreiche Goodwill-Rhetoriken, schockierende Bekenntnisse und ulkige Aktionen.

Noch aufschlussreicher ist der Tonfall, der Ponader jetzt von den eigenen Leuten entgegenschlägt. Er solle sich „einen Job bei McDonald’s“ suchen, raunt es aus der Piraten-affinen „Schwarmintelligenz“. Von „untragbarem Verhalten“ ist die Rede. Und die gesichtslosen Anonymous-Aktivisten verkünden via Facebook: Jemandem, der studiert habe, „aber aus purer Bequemlichkeit nicht gewillt ist, arbeiten zu gehen“, müsse das Parteiamt entzogen werden. Man glaubt es kaum. Danke, Johannes Ponader, für diesen Einblick in dein Netzwerk.

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Geschrieben von

Katja Kullmann

Stellvertretende Chefredakteurin

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