Kunstobjekt im Viererpack

Design Produkte von Ikea gelten mittlerweile als Design-Klassiker und werden in München im Museum ausgestellt. Ein schnöder Plastikbecher wird dabei als Kunstgegenstand geadelt

Man muss kein Anhänger einer zu abgehobenen Industrie-Design-Ideologie sein. Trotzdem lässt sich stundenlang über die zwei paradigmatischen, oft miteinander im Widerstreit liegenden Gestaltungsansätze (Form follows function versus bloßes Styling) philosophieren. Zumindest bei Bedarf, der allerdings in einem Bereich ganz gewiss nicht besteht. Denn: Trinkgefäße, ja Trinkgefäße sollten dicht, langlebig, aus Glas oder Keramik und stets mindestens halb voll sein. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Fragwürdig ist es deshalb, wenn knallbunte Plastikbecher eines schwedischen Möbelhauses zum modernen Designklassiker mutieren; und sei es nur in der nicht immer hundertprozentig geschmackssicheren bayrischen Landeshauptstadt. Kein Scherz: Die Pinakothek der Moderne in München widmet dem Kunststoff-Kelch Kalas und manch anderem Ikea-Gestaltungsverbrechen nun eine Ausstellung. "Democratic Design - Ikea" heißt die Schau. Und ihr Katalog zitiert einen namenlosen "Ikea-Chefdesigner" mit den Worten: "Die schöne Form ist für alle da. Und nicht nur fürs Museum!"

Nun hat die von manchem als schön empfundene Form also den Weg ins Münchener Museum gefunden. Am anderen Ende der Republik, in Hamburg, ist eine bekannte Wochenzeitung begeistert: Es seien "die schönsten Objekte versammelt", zugleich versuche die Ausstellung, "das Geheimnis der in ganz unterschiedlichen Kulturen gleichermaßen erfolgreichen Firmenphilosophie zu ergründen". Schließlich jazzt Die Zeit auf ihrer Webseite besagte Austellungstücke zu Kampfmitteln "demokratischen Designs" hoch: Sie seien "funktional, formschön und mindestens so bekannt wie Abba-Songs".

So wie Kalas, der übrigens 2000 von Monika Mulder "designt" wurde. Und nun ganz profan zum Preise von 99 Cent im Viererpack feilgeboten wird. Was belegt: Ein Plastikbecher ist ein Plastikbecher ist ein Plastikbecher. Auch wenn diese Alltagsweisheit noch nicht bis München und Hamburg durchgedrungen ist.

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