Markt der Möglichkeiten

Kommentar Attac und die Parteien

Kaum achtzehn Monate sind vergangen, seit sich Attac auch in der Bundesrepublik organisiert hat. Mit der Attac weltweit verbindenden Idee der Tobin-Steuer wurden die ersten Schritte gemacht. Jetzt rechnet Attac bis Ende des Jahres mit dem zehntausendsten Mitglied. Die große Mitgliederzahl will organisiert sein, deshalb stand im Mittelpunkt der Bundesvollversammlung am vergangenen Wochenende die Neustrukturierung. Die auf einer Sympathiewelle schwebende Bewegung weckt auch Begehrlichkeiten bei den Parteien.
Jede Partei bietet feil, was sie zu haben meint. Die SPD wirbt mit ihrem parlamentarischen Gewicht: nur mit ihren Stimmen gäbe es Mehrheiten. Sie gab eine Machbarkeitsstudie zur Tobin-Steuer in Auftrag. Johannes Raus Berliner Rede mit dem Thema "Globalisierung ist kein Schicksal" trifft den Ton der Zeit. Glaubhaft, sind diese Gebärden kaum, denn die Finanzpolitik, die dem entsprochen hätte, wurde mit Lafontaine längst verabschiedet.
Die Bündnisgrünen sind weiter: sie haben die Diskussionen bereits hinter sich. Der Schlagabtausch zwischen dem Attac-bewegten Daniel Cohn-Bendit und Josef Fischer, der schon in Genua auf der anderen Seite des Zauns stand, endete mit einem klaren Punktsieg für den Wahlfranzosen - und ohne Folgen für die Partei. Nicht mal die derzeitige grüne Bundestagsfraktion will mehrheitlich die Tobin-Steuer, was die Partei nicht daran hindert, sie vollmundig ins Wahlprogramm zu schreiben. Papier ist geduldig. Ein erster Beschluss der neuen Attac-Plattform lehnt Bundeswehr-Kriegseinsätze im Ausland explizit ab - damit wird der Graben auch zu den Bündnisgrünen noch tiefer.
Bleibt die PDS. Sie bietet sich als parlamentarische Stimme der Globalisierungskritik und Friedensbewegung an und kann am ehesten auf eine entsprechend stimmige Programmatik und Politik verweisen.
Von einem produktiven Verhältnis zu Attac jedoch sind die Parteien trotz der erheblichen Differenzen untereinander weit entfernt. Sie bieten zwar altväterliche Ratschläge an oder Hilfen bei der parlamentarischen Umsetzung der Ideen. Aber sie verkennen, dass Attac eben nicht eine halbherzige Partei ist, die im Markt der Meinungsbildung kurzfristig erfolgreich eine Nische besetzt hat.
Über die Tobin-Steuer aufzuklären und danach zu fragen, wer in den Finanzmärkten profitiert und wer verliert, Gesundheitspolitik zu thematisieren und Netzwerke mit Wissenschaftlern zu bilden - all das charakterisiert Attac als aktionsorientierte Bildungsbewegung, ohne Lust auf einengende parlamentarische Bündnisse. Die in Frankfurt gebildete neue Plattform überschreitet den Rahmen der bisherigen Kritik am Neoliberalismus und artikuliert sich ausdrücklich als Teil der Friedensbewegung. Die Parteien werden an ihrem Verhältnis zu Attac noch arbeiten müssen.

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