Mit Gottes Segen

Kirche Was tun, wenn Pazifisten gegen eine Trauerfeier der Bundeswehr protestieren? Die evangelische Landeskirche Hannover empfiehlt: Das Hausrecht den Feldjägern übertragen

In der Regel freut sich die Kirche über jeden Besucher. Jetzt aber sollen die Friedensaktivisten das Gotteshaus verlassen. Sie haben Schlafsäcke dabei, halten ein Transparent hoch und verteilen Flugblätter. Die Domkirche St. Eberhard in Stuttgart wollen sie besetzen, um ein paar Tage später einen Soldatengottesdienst zu verhindern. Doch der Dompfarrer ruft sofort die Polizei, die Aktivisten werden festgenommen.

Der verhinderte Protest ist knapp drei Jahre her, in Zukunft werden es Pazifisten bei ihren Aktionen gegen die Armee schwieriger haben – wenn in den Kirchen bald nur noch die Bundeswehr das Sagen hat. Vor wenigen Tagen ist ein Brief der evangelischen Militärseelsorge bekannt geworden, der von der Landeskirche Hannover an die Gemeinden weitergeleitet wurde. Bei Trauerfeiern für verstorbene Soldaten sollten die Gemeinden ihr Hausrecht doch bitte an die Bundeswehr abtreten – aus „Gründen der Gefahrenabwehr und um Störungen vermeiden zu können“. Diese Regelung sei „mit der Theologischen Abteilung im Landeskirchenamt abgestimmt“.

Verpflichtend ist die Empfehlung zwar nicht. Damit die Gemeinden aber auch keine Ausrede haben, ist ein Musterschreiben zur Übertragung des Hausrechts an die Feldjäger gleich beigefügt. Datum und Ort einsetzen, unterschreiben, fertig.

Besonders brisant: Solche Maßnahmen sind offenbar in der Geschichte einmalig. „Das Hausrecht der Kirche ist ein ganz hohes Gut, welches selbst in der DDR und in der Nazi-Zeit verteidigt wurde“, sagt Gerhard Biederbeck, der seit Jahrzehnten Kirchenmitglied ist und den Brief veröffentlichte. Die Kirche lasse sich von der Bundeswehr vereinnahmen, kritisiert der Friedensaktivist. Ist dem Militär erstmal das Hausrecht eingeräumt, wären absurde Situationen möglich: „Die Feldjäger könnten rechtlich sogar einem Pfarrer, der sich während eines Gottesdienstes kritisch über das Militär äußert, das Wort entziehen.“

EKD will sich nicht äußern

Die evangelische Militärseelsorge, die übrigens zur Bundeswehr gehört, verteidigt das Schreiben: „Ich verstehe jeden Verantwortlichen der Feldjäger, der Rechtssicherheit haben will, wenn er seine Jungs dazu anweist, die 400 Demonstranten mit den Trillerpfeifen am Kircheneingang zu stoppen“, sagt Sprecher Walter Linkmann. Bisher habe es zwar noch keine Proteste auf Bundeswehr-Trauerfeiern gegeben, doch seien auch die Kirchen mit der Abgabe des eigenen Hausrechts an die Militärpolizei auf der sicheren Seite und könnten bei Vorfällen von der Politik nicht zur Verantwortung gezogen werden.

Dass die Vorstellung von Demos auf Trauerfeiern nicht ganz abwegig ist, zeigen die vielen Aktionen bei anderen Bundeswehr-Veranstaltungen. In Köln wurde im Januar 2011 gegen einen Internationalen Soldatengottesdienst protestiert, ebenso im November 2012 gegen ein Adventskonzert der 1. Panzerdivision in einer Hannoveraner Kirche. Und beim Evangelischen Kirchentag im vergangenen Monat in Hamburg sprang bei einer Veranstaltung mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) eine Friedensaktivistin kurzzeitig auf die Bühne. Immer auf der anderen Seite dabei: Militär und Polizei.

Die Diskussion über das Hausrecht ist für die evangelische Kirche eine heikle Angelegenheit, engagieren sich doch in den Gemeinden auch viele Friedensbewegte. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) möchte sich deswegen offiziell auch nicht zur Hausrecht-Übertragung äußern. Das sei alleinige Sache zwischen der Militärseelsorge und der Landeskirche Hannover. Andere Teile der Kirche hätten den Brief nach Kenntnissen der EKD bisher nicht an ihre Gliederungen weitergeleitet.

Bei der Landeskirche Hannover versteht man die ganze Aufregung nicht. „Das ist ein übliches und ganz schlichtes bürokratisches, kirchliches Handeln“, sagt Sprecher Johannes Neukirch. Es gehe darum, bei Bundeswehr-Trauerfeiern die Sicherheit – auch der anwesenden Minister oder der Kanzlerin – zu gewährleisten. Da sei es aus pragmatischen Gründen am besten, das Hausrecht an die Feldjäger abzugeben.

Und die Verantwortung wird gleich mitabgegeben. Die Proteste kann dann ja die Bundeswehr verhindern. Für das Kirchen-Image ist das sowieso deutlich besser.

Michael Schulze von Glaßer schrieb im Freitag zuletzt über die „Euro Hawk“-Drohne

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