Mitnahme-Mentalität?

Medien Die Diskussion über Presserabatte ist leidig – und trotzdem notwendig. Doch wer in seiner journalistischen Arbeit käuflich ist, wird das auch ohne Vergünstigungen bleiben

Ein Hammer erleichtert das Unterfangen, einen Nagel in die Wand zu schlagen. Er hilft aber nicht dabei, ein Auto günstiger zu erwerben. Klingt doof? Nun, beim Arbeitsinstrument des Journalisten, dem Presseausweis, sieht es anders aus. Der soll seinem Besitzer die Recherche erleichtern, wird aber gerne zum Einheimsen von Rabatten zweckentfremdet.

Ich habe zweimal eine rabattierte Bahncard 50 erworben. Das ist nicht mehr möglich, die Deutsche Bahn hat sie eingestellt. Das stört mich nicht, privat nutze ich die Bahn selten. Meine Bahncard kam vor allem Redaktionen zugute, wenn ich für Recherchen oder Interviews unterwegs war. Es gibt nämlich Medienhäuser, die einem die Fahrtkosten nur erstatten, wenn man die Bahncard 50 hat.

Habe ich mich mit dem Erwerb als Journalist unredlich gemacht? Ich finde, nein. Ich berichte nicht über die Bahn, ich ziehe keinen privaten Vorteil aus dem Besitz der Bahncard. Die Diskussion über Presserabatte ist leidig – und trotzdem notwendig.

Ein Auslaufmodell?

Daran, dass sie aktuell geführt wird, ist der NDR Schuld, der seinen Verhaltenskodex um einen Satz ergänzen will: „Wir nutzen keine Journalistenrabatte.“ Die Ergänzung ist – anders als in verschiedenen Medien berichtet – allerdings noch gar nicht beschlossen. Sie wird nun zur Diskussion gestellt, sagt Sendersprecher Martin Gartzke auf Anfrage. Der Vorstoß geht auf die Debatte über Christian Wulffs Mitnahme-Mentalität im vergangenen Jahr zurück.

Es ist zweifelhaft, ob Presserabatte die Berichterstattung beeinflussen. Wer in seiner journalistischen Arbeit käuflich ist, wird das auch ohne offene Rabattangebote bleiben. Das eigentliche Problem ist die Maßlosigkeit, mit der Besitzer eines Presseausweises (das müssen keine Journalisten sein) mitunter ihr vermeintliches Recht auf Abschläge einfordern – noch dazu bevorzugt für ihr Privatvergnügen. Auf Pressekonditionen.de freut sich ein Nutzer über seinen vergünstigten Porsche Cayenne. Ein anderer beschwert sich über die Armlehnen auf seinem mit 20 Prozent rabattierten Condor-Flug nach Kuba.

Die Zugriffszahlen des Portals sind rückläufig. 2012 kamen im Vergleich zum Vorjahr 13 Prozent weniger Besucher. Der Presserabatt ein Auslaufmodell? Nein, sagen sie, es komme immer mal vor, dass Unternehmen Sonderkonditionen einstellen, dafür kämen ständig neue hinzu: Rund 1.200 Rabatte sind derzeit auf Pressekonditionen.de gelistet. Die Liste der meist geklickten führen drei Autohersteller und zwei Reiseveranstalter an.

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