Moment mal!

Parteivorstand Egal was die SPD anstellt, es geht nach hinten los. Auch dass die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange gegen Andrea Nahles kandidieren will, macht nichts besser
Es baut sich eine Front gegen Andrea Nahles auf
Es baut sich eine Front gegen Andrea Nahles auf

Foto: Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Das hat gesessen. Simone Langes Brief an den SPD-Parteivorstand, in dem sie sich um den Parteivorsitz bewirbt, hat eingeschlagen wie eine Bombe. Die bis Montagabend bundespolitisch weitgehend unbekannte Flensburger Oberbürgermeisterin macht Faktionschefin Andrea Nahles, die für den Posten gesetzt war, Konkurrenz. Warum?

Ihr gehe es „um die Art, wie wir zu einer neuen Bundesvorsitzenden kommen“, sagt Lange. Nach dem Motto: Die da oben in Berlin entscheiden mal wieder ganz allein, wer an die Spitze soll. Der aktuelle SPD-Chef Martin Schulz will an diesem Dienstag den Posten an Andrea Nahles abgeben. Solch ein Postengeschachere „im Hinterzimmer“ gefällt Lange nicht. Und sie hat eine Idee: Die 460.000 Mitglieder sollen „die Möglichkeit haben ... ihre Meinung dazu abzugeben“. Also mitbestimmen, wer SPD-Chefin oder Chef wird.

Das ist unter zwei Aspekten interessant.

Da wirbt Lange also für eine Basiskandidatur – als ein echtes Zeichen für einen Neuanfang. Den hat die Partei dringend nötig. Gerade hängt sie in Meinungsumfragen bei 16,5 Prozent Zustimmung im Wahlvolk fest. Her also mit einem Neuanfang, und zwar rasch. Und gern auch durch mehr Mitbestimmung der Basis. Aber Moment mal, bestimmt die Basis gerade nicht jede Menge mit: Koalitionsvertrag, GroKo, NoGroKo? Jetzt also auch noch beim Spitzenpersonal?

Lange will der Partei Glaubwürdigkeit zurückgeben – ein ernstzunehmender, hehrer und großer Anspruch. An dem man scheitern kann. Die Flensburger Oberbürgermeisterin zieht mit ihrer Kandidatur das ohnehin schon komplizierte Personalprocedere in die Länge. Wird die Basis das goutieren? Bekommen die Mitglieder nun das Gefühl, der Partei eine entscheidende Richtung weisen zu können? Werden dadurch Hinterzimmerkungeleien verhindert?

Momentan hat man eher den Eindruck: Egal, was und wie die SPD es anstellt, es geht nach hinten los. Dafür kann Simone Lange nichts. Sie macht es aber auch nicht besser.

Dann ist da noch der Genderaspekt: Nun hat sich die SPD endlich durchgerungen, mit Nahles eine – wohlbemerkt erfahrene, kompetente, durchsetzungsstarke – Frau an die Spitze setzen zu wollen. Ein Anspruch, dem man schon länger gerecht werden wollte – und dann kommt ausgerechnet eine Frau um die Ecke und sagt: Ich will auch. Natürlich ist dagegen nichts zu sagen. Je mehr Frauen sich bewerben, egal für welchen Job, je mehr Frauen grundsätzlich mitspielen im Politikgeschäft, um so besser. Auch bei der SPD. Vor allem bei der SPD. Denn die Partei ist – trotz Quote und genderpolitischem Anstrich – noch nie sonderlich gut mit ihren Frauen umgegangen. Und schon baut sich eine Front gegen Nahles auf.

So manche an der Basis mögen Langes Vorstoß begrüßen. Möglicherweise aber hat die Flensburger Oberbürgermeisterin ihrer Partei einen Bärendienst erwiesen.

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Geschrieben von

Simone Schmollack

Chefredakteurin der Freitag

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