Nachdem der konservative Publizist und Thatcher-Biograf Charles Moore vor einiger Zeit in einer vielbeachteten Kolumne darüber sinniert hatte, dass der Konservatismus sich bedauerlicherweise vom Big Money habe korrumpieren lassen und zähneknirschend eingestand, dass die Linke doch ein bisschen recht hatte, spendete diese triumphierend Beifall. Allein, sie musste das Ende seines Textes dafür schon geflissentlich überlesen haben. Dort prognostizierte Moore nämlich optimistisch, dass der Konservatismus bereits deshalb überleben wird, weil man sich auf die „Dummheit der Linken“ verlassen könne.
Indes gibt es aber auch Kapitalismuskritiker, die sich ganz vorbehaltlos über Moores politische Beichte gefreut haben dürften. Gemeint ist die
st die „Neue Rechte“, jene heterogene Bewegung in der Grauzone von Nationalkonservatismus und intellektuellem Rechtsradikalismus, die sich hierzulande vor allem im Umkreis der Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) sammelt. In der geistesgeschichtlichen Tradition der „konservativen Revolution“ (Armin Mohler) um Ernst Jünger und Carl Schmitt eint diese vor allem ein Ziel: Den Konservatismus wieder als fundamentalen Anti-Liberalismus zu denken. Stand dabei lange die kulturell-moralische Dimension im Vordergrund, wird diese nun zunehmend durch eine ökonomische komplettiert.Auf der Höhe des ZeitgeistesDass sich hieraus eine so explosive wie unheilvolle Mischung ergibt, beweist das neue Buch von Alain de Benoist, Vordenker und Cheftheoretiker der „Neuen Rechten“. Denn anlässlich der Finanzkrise hat die Edition-JF, die neben einigen früheren Werken des französischen Philosophen allerlei geschichtspolitische Deutschtümelei im Sortiment hat, nun dessen kapitalismuskritischen Essay Am Rande des Abgrunds – Eine Kritik der Herrschaft des Geldes herausgegeben. Einen Essay, der an Perfidie schwer zu überbieten ist.Zunächst muss man Benoist attestieren, dass seine Analyse der Finanzkrise rhetorisch zwar etwas holzschnittartig daherkommt, inhaltlich aber durchaus profund wirkt. Betont lehnt er eine moralisierende Argumentation ab und verweist auf zwei inhärente Probleme des Kapitalismus: Zum einen auf die strukturelle Kapital-Überakkumulation, also die stete Selbstvermehrung des Kapitals, die gleichzeitig die Entstehung von Massenkaufkraft als eigene Wachstumsgrundlage verhindert. Zum anderen auf den postfordistischen Zwang zur Finanzialisierung, also zur finanzökonomischen Durchdringung aller Wirtschaftskreisläufe, um die fallenden Profitraten der Industrieproduktion spekulativ zu kompensieren. Damit steht Benoist fest auf der Linie der meisten (post-)marxistischen Ökonomen.Und mehr noch: Indem er von Karl Marx über Rosa Luxemburg bis Cornelius Castoriadis und André Gorz das halbe linke Theoriespektrum durchkurvt und den Neoliberalismus nicht nur als Wirtschaftssystem, sondern ebenso als gouvernementale Technologie des Selbstmanagements zeichnet, begibt er sich auch hier auf die diskursive Höhe des kapitalismuskritischen Zeitgeistes. Obschon sein anti-neoliberaler Marshallplan – Abschaffung des Kreditwesens, Aufkündigung des globalen Freihandels und Rückkehr zu national-protektionistischen Wirtschaftszonen – haarsträubender Unsinn ist, staunt man dennoch, wie verstörend geschmeidig Benoist in linksintellektueller Mimikry seine eigentliche Botschaft überbringt.Kultureller RassismusUnd die hat es in sich: Wenn er den „riesigen homogenen Markt“ geißelt, „auf dem alle Menschen dieselben Objekte begehren, wo kulturelle Eigenheiten und unterschiedliche Mentalitäten niemals der Logik des Kapitals in die Quere kommen“, lauert dahinter ein zutiefst anti-egalitäres Anliegen. Im Zentrum von Benoists Denken, das auch ein wesentliches theoretisches Bindeglied der „Neuen Rechten“ bildet, steht der „Ethnopluralismus“ und das damit verbundene „Recht auf Differenz“.Was sich nach postmodernem Multi-Kulti anhört, bedeutet jedoch genau das Gegenteil: Die Forderung der territorialen Trennung verschiedener Ethnien und Kulturen. Das unterscheidet sich theoretisch zwar insofern vom klassischen Rassismus, als dass hier „Rasse“ durch „Kultur“ ersetzt und der Fremde nicht zwangsläufig als minderwertig begriffen wird, ist aber letztlich nichts anderes als eine akademische Version von „Les français d’abord“ (dt. „Franzosen zuerst“) oder „Deutschland den Deutschen“. Wenn Benoist also die uniformierende Herrschaft des Geldes kritisiert, um ihr das „Recht auf Differenz“ entgegenzusetzen, ist damit tatsächlich kein Recht auf Alterität, sondern die Pflicht zur völkischen Homogenität gemeint.In besonders infamer Weise zeigt sich das, wenn Benoist versucht, Fremdenfeindlichkeit zum ersten antikapitalistischen Gebot zu erklären. Als „Menschen ohne Klassenbewusstsein und Klassenkampftradition“ bildeten Migranten die „Reservearmee des Kapitals“ und unterwanderten als ausländische Agenten des Lohndumpings somit die nationale Solidargemeinschaft. Wer sich nicht gegen Einwanderer zu Wehr setze, mache sich folglich zum Komplizen der Großindustrie. Dass es also die unterbezahlte ukrainische Reinigungskraft oder der tunesische Ingenieur und nicht etwa der Mangel an politisch formulierten Sozialstandards sein soll, der den Wohlfahrtsstaat zurichtet, ist xenophobe Sozialdemagogie erster Güte.Benoist pflegt hier einen kulturellen Rassismus, der Nationen und Völker nicht als schon immer hybride Konstruktionen, sondern als empirisch homogene Gebilde versteht. Deswegen kreist sein Buch auch beständig um die Vorstellung, dass der Volkskörper sich nur seiner fremden Elemente entledigen müsse, damit aus dem multikulturellen volonté de tous endlich ein völkischer volonté générale, aus der demokratischen Kakophonie also ein einheitlicher Nationalwille erwachse.Lehrmeister Carl SchmittBeunruhigend ist dieser ökonomische Profilierungsversuch der „Neuen Rechten“ vor allem im Hinblick auf die Eurokrise. Denn wo einerseits die Kapitalismuskritik bis tief ins bürgerliche Lager vorgedrungen ist und andererseits die Völkerpsychologie in Gestalt von faulen Griechen und schwäbischen Hausfrauen wieder durch die Talkshows spukt, findet sich ein politischer Nährboden, den man nur bewirtschaften müsste. Sollte dies der „Neuen Rechten“ tatsächlich gelingen, wäre das nicht nur ihrem biederen Auftreten und dem Verzicht auf tumbe Parolen und (offene) NS-Nostalgie, sondern eben auch der argumentativen Geschicktheit ihres theoretischen Wortführers zu verdanken. Benoist scheint da seinen Lehrmeister Carl Schmitt besonders in wirkungsstrategischer Hinsicht genau gelesen zu haben. Die Lektüre seines Essays evoziert unweigerlich eine Bemerkung Ernst Jüngers über Schmitts Begriff des Politischen. Jünger konstatierte begeistert, dem späteren „Kronjuristen des Dritten Reichs“ (Waldemar Gurian) sei eine „besondere kriegstechnische Erfindung gelungen: eine Mine, die lautlos explodiert. Man sieht wie durch Zauberei die Trümmer zusammensinken; und die Zerstörung ist bereits geschehen, ehe sie ruchbar wird.“