Nie vergessen

Nachruf Der Aufklärer und "Freitag"-Autor Günther Schwarberg ist tot

Der Bremer Weserkurier stellte den gerade 18-jährigen Günther Schwarberg 1945 ein. Ein Vierteljahr volontierte er unter Ressortleiter Felix von Eckardt, er sollte von ihm politischen Journalismus lernen. Das ging nicht gut, denn Eckardt war vorher Drehbuchschreiber für kriegswichtige Goebbelsfilme, wird später Adenauers Bundespressechef und erklärt, der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht sei eine "standrechtliche Erschießung" gewesen - "in höchster Not", um "Deutschland vor dem Kommunismus retten zu können". Da war Schwarberg längst schon als Mörder verhaftet worden. Den Chefredakteur der Bremer Nachrichten hatte ein Bombenpaket zerrissen. Es genügte, dass ein Kollege aussagte, Schwarberg schwimme "im Fahrwasser des Kommunismus" und habe "einen ausgesprochenen Hass" gegen den Toten. Der wahre Täter war bald gefasst und Schwarberg trotz seines Fahrwassers kein Mörder.

1959 lernt er bei einem Anti-Atomkongress Erich Kuby kennen - Helmut Schmidt sucht nach dessen Rede türknallend das Weite. Schwarberg findet wie Kuby eine neue Heimat bei Henri Nannen: "Wir kamen ungefähr zur selben Zeit zum Stern, dessen beste Zeit damals begonnen hatte. Nie vorher war er so politisch gewesen, nie nachher wurde er es wieder."

1977 liest er bei Willi Bredel die längst vergessene Geschichte von den Kindern, die am 20. April 1945 in der Schule am Bullenhuser Damm von SS-Leuten am Fleischerhaken aufgehängt wurden. 20 jüdische Kinder, mit denen ein später in der DDR verurteilter SS-Arzt Experimente angestellt hatte. Schwarberg fragt: Gibt es noch Eltern oder Geschwister, die nicht wissen, was mit ihnen geschehen ist? Sind die Mörder bestraft worden? Schwarberg ermittelt. Am 30. Juni 1967 stellte der Hamburger Oberstaatsanwalt Helmuth Münzberg das Ermittlungsverfahren gegen SS-Obersturmführer Arnold Strippel, der 1945 den Kindermord am Bullenhuser Damm kommandiert hatte, ein. Strippel bekommt 121.500 Mark Haftentschädigung. Der Staatsanwalt hatte eine "rechtliche Würdigung" des Falles vorgenommen. Es fehle das Mordmerkmal der Grausamkeit: "Die Ermittlungen haben nicht mit der erforderlichen Sicherheit ergeben, dass sich die Kinder über Gebühr lange quälen mussten, bevor sie starben ... Ihnen ist also über die Vernichtung ihres Lebens hinaus kein weiteres Übel zugefügt worden, sie hatten insbesondere nicht besonders lange seelisch oder körperlich zu leiden." Staatsanwalt Münzberg wurde 1990 zum "Aufbau einer rechtsstaatlichen Justiz in Mecklenburg-Vorpommern" als Stellvertretender Generalstaatsanwalt nach Schwerin entsandt. Da hatte die neue Zeit schon begonnen. Schwarberg war nicht mehr beim Stern, Kuby auch nicht. Beide wurden Autoren des Freitag.

Günther Schwarberg schrieb viele Bücher. Im letzten Jahr seine Erinnerungen Das vergesse ich nie: "Am 10. September 2005 ist Erich Kuby, 95 Jahre alt, in Venedig gestorben. Im Stern lese ich nichts darüber." Günther Schwarberg starb am 3. Dezember 2008, 82 Jahre alt, in Hamburg. Im Stern - nichts.

Die können das. Wir vergessen ihn nie.

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