Vater, Mutter, Kind: Eine blonde Kleinstfamilie steht im Zentrum von Philip Grönings Die Frau des Polizisten, der im vergangenen Herbst auf den Filmfestspielen in Venedig den Spezialpreis der Jury gewann und jetzt in die deutschen Kinos kommt. Der Vater ist Polizist, die Mutter Mutter, das Kind süß – ungefähr vier Jahre alt. Am Anfang sieht man idyllisches Familienleben in einer westdeutschen Kleinstadt, Ostereier suchen im fahlen Frühlingslicht, gemeinsames Abendessen mit Spaghetti und Eisbergsalat. Und Provinzpolizisten-Alltag: Einmal fahren Touristen auf nächtlicher Straße ein Reh an, da muss der junge Polizist das sterbende Tier erschießen. Zu Hause, erfahren wir später, schlägt der Polizist seine Frau.
Diese Gewalt, das macht der
alt, das macht der Film deutlich, hat mit Isolation zu tun (außer Vater, Mutter, Kind gibt es keine Figuren in diesem Film), und sie ist widersprüchlich. Ausführlich zeigt eine lange Sequenz, wie der Polizist im Morgengrauen von der Nachtschicht nach Hause kommt, noch in der Diele die schweren Stiefel auszieht und auf Zehenspitzen leise die enge Treppe hinaufsteigt. Umsichtig und leise bewegt er sich durch die enge Dachwohnung, die überall Schrägen und schiefe Winkel hat und dazu zwingt, ständig den Kopf einzuziehen. Einer, der liebevoll über den Schlaf von Frau und Kind wacht, und dann trotzdem aus nichtigstem Anlass um sich schlägt. Die Frau des Polizisten erzählt also von häuslicher Gewalt, von Gewalt gegen Frauen.Und – irgendjemand – Verleih, Produzent, Filmemacher? – hat es daher für eine gute Idee gehalten, Die Frau des Polizisten als Film zum Frauentag zu pitchen: Sondervorführung am 8. März im Berliner Delphi mit anschließender Podiumsdiskussion, bei der eine Vertreterin von Terre des Femmes dem Film attestiert, authentisch und realitätsnah zu sein. Alle Diskutanten beteuern die Bedeutung der Thematik, die Woche zuvor ist der jüngste EU-Bericht über Gewalt gegen Frauen groß durch die Presse gegangen.Keine Frage, diese sogenannte Thematik ist wichtig – ob Die Frau des Polizisten allerdings wirklich als Film zum Frauentag taugt, ist fraglich, und das hat mit einer ganzen Reihe von narrativen und ästhetischen Setzungen zu tun, die Grönings Film unternimmt. Er bleibt zum Beispiel, trotz seines Titels, im Grunde ganz nah am schlagenden Täter-Mann.Diskrete IndiskretionWarum die Frau des Polizisten sich nicht wehrt, warum sie seine Schläge aushält und bei ihm bleibt – all das lässt der Film offen, während auf der anderen Seite die Aggression des Mannes recht genau unter die Lupe genommen und motiviert wird. Die hat nämlich, so wird suggeriert, ihrerseits mit Angst und Ohnmacht zu tun. Die unerfreulichen Details häuslicher Gewalt wiederum erspart der Film seinen Zuschauerinnen und Zuschauern: Nur ein, zwei Szenen zeigen den prügelnden Mann, viel öfter fährt die Kamera dafür den nackten Frauenkörper ab, um wie zufällig blaue Flecken an Armen, Beinen, Knien und Brüsten in den Blick zu bekommen. Das mag der löbliche Versuch einer diskreten und nicht-reißerischen Form von Gewaltdarstellung sein – derart ausgestellt geht so viel zurückhaltende Diskretion irgendwann auf den Wecker und ist vor allem auch nicht mehr diskret.Womit ich zum Kern der Frage komme, warum ich Die Frau des Polizisten nicht nur schwach, sondern ziemlich unerträglich finde: Der Film tritt so verdammt selbstgefällig auf. Er erzählt seine Geschichte in knapp drei Stunden und fast 60(!) durchnummerierten Kapiteln, die jeweils durch Schwarzblenden und Titelkarten voneinander getrennt sind, auf denen fein säuberlich Anfang und Ende des Kapitels vermerkt werden – ein umständliches Verfahren, das jeden narrativen Flow verweigert und stattdessen die Unterbrechung, das Innehalten, die Besinnung zum obersten Gebot erklärt: Immer schön spröde bleiben, Verfremdung statt Immersion, schon klar. Das Problem ist, dass formale Strenge hier in Pedanterie und Dogmatik umschlägt, dass jede Einstellung in erster Linie von der eigenen konzeptionellen Durchdachtheit erzählt und stolz die eigene formale Ausgefuchstheit zur Schau stellt. Das macht Die Frau des Polizisten so ermüdend und schwer. Und es lässt seine thematisch ausgerichtete Rezeption zum Frauentag noch absurder erscheinen.Zu allem Überfluss durchwabert diesen pedantischen Film noch eine archetypisch und universell dräuende Esoterik, deren schönste Stilblüten im Presseheft nachzulesen sind. Vom mütterlichen „Liebestransfer“ ist die Rede, vom „Liebesraum“, den die Mutter schaffe, um „die Seele dieses Kindes“ wachsen zu lassen, bevor der Vater sie „vernichtet“. „Dem Kind Liebe zu lehren“ sei der Mutter höchstes Ziel, steht da wiederholt im Presseheft – ein nicht nur grammatikalisch fragwürdiger Satz, der allerdings sehr schön die krude Mischung aus wuschiger Esoterik und pedantischem Formalismus auf den Punkt bringt, die Die Frau des Polizisten auszeichnet.