Peter W. Jansen (1930-2008)

Nachruf Es besteht weitgehend Übereinstimmung in der Einschätzung, dass sich die Filmkritik in den vergangenen Jahren gewandelt hat. Es ist eine Generation ...

Es besteht weitgehend Übereinstimmung in der Einschätzung, dass sich die Filmkritik in den vergangenen Jahren gewandelt hat. Es ist eine Generation nachgewachsen, die im Umgang mit dem Film anderen Kriterien folgt als die Generationen davor.

Peter W. Jansen gehörte zu den Cinephilen im eigentlichen Wortsinn. Für Jansen war der Film eine Kunstform, mit der sich intellektuell auseinanderzusetzen lohnte, deren sperrige Exemplare der journalistischen Förderung bedurften, die ihren Rang neben den älteren Künsten behaupten sollte. Dafür aber war es auch nötig, den Unrat, der mit der Filmkunst lediglich die Tatsache teilt, dass er mittels eines Apparats auf eine Leinwand projiziert wird, ins Abseits zu verweisen - sei es, indem man ihn ignoriert, sei es, indem man ihn als bloße Ware kennzeichnet und vom Film als Kunst ausdrücklich unterscheidet.

Peter W. Jansen hat zusammen mit dem langjährigen Redakteur der Frankfurter Rundschau Wolfram Schütte die längst legendäre "Reihe Film" herausgegeben und in ihr auch als Autor seine Spuren hinterlassen. Diese vorbildliche Buchreihe, die eine in Frankreich lange zuvor selbstverständliche seriöse Filmliteratur auch in Deutschland etablieren wollte, stellt nicht weniger dar als ein Kompendium der wichtigsten Regisseure der Filmgeschichte bis in die achtziger Jahre hinein. Hätte Jansen sonst nichts geleistet - es wäre mehr als die meisten seiner Kollegen vorzuweisen haben. Aber Peter W. Jansen war ein Mann des Rundfunks, in der Fernsehsendung aspekte, die ebenso wie die Filmkritik ihren Charakter seither verändert hat, vor allem aber im Hörfunk, der doch für das Medium Film am allerwenigsten geeignet zu sein scheint.

Für den SWR, wo er nach Stationen in mehreren Zeitungs- und Radioredaktionen ein ungewöhnlich aufgeschlossener Hauptabteilungsleiter für Kultur wurde, erfand er Jansens Kino. In halbstündigen Beiträgen stellte er Meilensteine der Filmgeschichte - genauer: der Geschichte des abendfüllenden Spielfilms - vor. In einer Montage von Dialogauszügen in Originalfassung und in deutscher Übersetzung (wo das Original nicht deutsch war), von Sprecherpartien und von Musik ließ Peter W. Jansen die Filme vor dem geistigen Auge des Hörers (wieder)erstehen. Doch er beschränkte sich nicht auf die übliche Erzählung der Fabel, sondern ging stets ausführlich auf die Machart der Filme ein, auf Besonderheiten der Kameraführung und der Schnittfolge, des Tons und des Lichts. Mehr noch: Er fügte Informationen über das historische Umfeld und über Produktionsbedingungen sowie über die Rezeption der Filme ein. Er zitierte Absichtserklärungen und theoretische Positionen der Macher. Und er unterstrich, was an dem jeweiligen Film die Entwicklung vorangetrieben hat. So ergab sich Sendung für Sendung ein zugleich unterhaltsames und lehrreiches Panorama, das ganz ohne Tratsch auskam. Dabei schaute Jansen über die Grenzen des Films hinaus, zu Literatur und Musik, bildender Kunst und Philosophie.

Peter W. Jansen hat vor 50 Jahren über den Schriftsteller Joseph Roth promoviert. Die Dissertation wird noch heute in der Forschung zitiert. Joseph Roth schrieb noch einmal drei Jahrzehnte zuvor: "Mein privates Herz schlägt in einer sentimentalen (und jüngst wieder unmodern gewordenen) Weise für die kleinen Wesen, denen man befiehlt und die gehorchen, gehorchen, gehorchen, und läßt mich selten zu der Objektivität für die großen gelangen, die befehlen, befehlen, befehlen." Wer dem sanftmütigen, freundlichen Peter W. Jansen einmal begegnet ist, weiß - dieser Satz hätte sein Lebensmotto sein können.

Am vergangenen Samstag ist Peter W. Jansen im Alter von 78 Jahren gestorben.

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