Pleitier zu sein, puh!

Poesie Uwe Hübner ist wahrlich kein Vielschreiber, aber nun ist sein zweiter Band da. Zu Unrecht ist er bisher wenig beachtet worden
Ausgabe 04/2014

Dem Band Jäger Gejagte des Dresdner Dichters Uwe Hübner, meine ich, ist in der deutschsprachigen Literatur der letzten Jahre nichts Vergleichbares entgegenzusetzen – weder an erzählerisch verdichteter Qualität noch an Radikalität der Faltung von Zeiten und Räumen. Die Einzige, die auf diesem Level ihren Sound gefunden hat, scheint mir Ann Cotten zu sein. Sein leider zu wenig beachtetes Debüt hat Uwe Hübner mit Pinscher und Promenade 1993 bei Galrev gegeben. Vor also genau 20 Jahren!

Angefangen zu schreiben hat er vor 40 Jahren. Zwei Bücher in vierzig Jahren! Der 1951 im Erzgebirge geborene, sein bisheriges Lohn-Leben als Heizungsmechaniker in den Kellern der Technischen Universität Dresden abgespult habende und auch als Rentier weiterhin in Dresden lebende Schriftsteller ist wahrlich kein Vielschreiber. Keiner, der aus jedem Scheiß gleich ein Gedicht quetscht. Was noch lange nicht heißt, dass nicht jeder im Weg liegende Haufen eins wert wäre. Denn das wird in Jäger Gejagte offensichtlich, dass es nichts gibt, das es nicht wert ist.

Auf Seite 90 des 112 Seiten starken Bandes steht: „Pleitier zu sein … puh … das ist schon was / schrieb der Finanz- und Sprachexperte, aus dem Nichts / wird dies keiner“, womit wir das drei Verse lange Motto des Weltbürgers, des Kompagnons, des Niemands und Odysseus’ (siehe S. 100) – alles Aliasse des in Welt-Er-Kenntnis gespiegelten Autoren – ausgegraben und aufgedeckt hätten. Denn Odysseus war ja der, der Polyphemos (siehe S. 8, Zeile 4), den Einäugigen, blendete und entkam, nachdem er sich ihm als Niemand vorgestellt hatte. Woraufhin seine kyklopischen Kumpel meinten: „Ja, wenn dir niemand das Auge ausgestochen hat, dann brauchen wir dir auch nicht zu helfen.“

Pleite als Tenor

Alles klar? Ich meine jetzt nicht, dass sich Polyphem erst hinterher an die Weissagung seines Vaters (bei Hübner des Öfteren: Erzeugers) erinnerte, sondern dass, um pleitezugehen, man erst einmal etwas gehabt haben muss. Nur wer nichts hat, der kann auch keine ordentliche Pleite hinlegen. Die Pleite aber ist der Tenor von Jäger Gejagte. Sie steckt im Paar, quasi im System – nicht nur des Titels. Da geht es also um Verlust als Mehrwert bis hin zur Ent-Täuschung. Bis hin zu jenem bittersüßen Ende, von dem es auf Seite 65 nur noch heißen kann: „Moral und Ästhetik werden kein Paar.“ Dazu gleich noch ein weiteres Paar: „So ein heliogesottenes Stahlblau war dir schon / mal übern Weg gelaufen, jetzt dämmerte es – / in eines Mannes einem Auge / (das andere war braun).“ (S. 31). Genug der Paare zitiert.

Untersucht man das Gros der heutzutage in deutscher Sprache massenhaft veröffentlichten Gedichte, wird man endlos in polysemantische Vers-Innen-Kracher gebrochene, allegorisch abgehängte Küchentisch-Psychologie in der Jugendhaftanstalt einer physisch soliden Beweisform verwickelt. Was ich hier als negative Qualität, als Merkmal einer aller Radikalität entbehrenden Konsequenz stehen lassen will, als nichts als der inneren Unordnung widersprechende postbarocke Ordentlichkeit.

Ich weiß, dass auch Hübner nur von denen gelesen wird, die noch wissen, dass Schreiben von Lesen kommt und auf Leben, das vom Leben kommt, hinausläuft. Doch da ich nun mal als Werbetexter in Sachen Lyrik auf der Pirsch bin, werde ich es mir in diesem Fall nicht verkneifen, wenigstens darauf hinzuweisen, dass der für dumm verkaufte Kunde Mensch, wenn er dieses Buch kauft, sich immerhin ein wenig am Rückkauf seiner selbst beteiligt.

Jäger Gejagte Gedichte Uwe Hübner Poetenladen 2013, 109 S., 16,80 €



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