Die Bundestagswahl hat einen traurigen Rekord aufgestellt: Mehr als sechs Millionen Wählerstimmen sind in der Mülltonne gelandet, so viele wie nie zuvor. Diese Wähler wollten die Politik mitgestalten, haben sich brav für eine Partei entschieden – aber im Bundestag sind sie überhaupt nicht vertreten. Der Grund: die Fünf-Prozent-Hürde. Daran sind diesmal nicht nur viele Kleinstparteien gescheitert, sondern auch die FDP, die Alternative für Deutschland und die Piraten. Insgesamt holten sie 15,4 Prozent – und sind nun die außerparlamentarische Opposition.
Nun mag sich der ein oder andere darüber freuen, dass es im Bundestag keine Mehrheit gibt für ein konservativ-marktradikales Bündnis aus Union, Liberalen und Euro-Skeptikern. Für die Demokratie jedoch ist die Fünf-Prozent-Hürde problematisch. Die Frage nach dem besten Wahlsystem darf nicht von Ergebnissen abhängig sein, die eine Mehrheit möglicherweise für politisch wünschenswert hält. Schließlich geht es um eines der wichtigsten Grundrechte in einer Demokratie. Damit verträgt sich schlecht, wenn Millionen Menschen um ihre Stimme gebracht werden, weil ihre Partei an einer Sperrklausel scheitert.
Keine Zersplitterung
Natürlich gäbe es ohne die Fünf-Prozent-Hürde mehr Parteien im Bundestag. Aber von einem zersplitterten, handlungsunfähigen Parlament wäre Deutschland immer noch weit entfernt. Dass es auch anders geht, zeigt die Europawahl. Bei ihr gilt eine Drei-Prozent-Hürde. Im Europaparlament sitzen 162 verschiedene Parteien, und trotzdem finden sich dort immer wieder Mehrheiten. Letztlich ist aber jede Grenze willkürlich. Und sie verführt zu strategischem Wählen: Wie viele Bürger sympathisieren beispielsweise mit den Piraten, haben sie aber nicht gewählt, weil sich in den Umfragen schon abzeichnete, dass sie ohne Chance auf einen Einzug ins Parlament sind?
Wer den Wählerwillen ernst nimmt, muss die Fünf-Prozent-Hürde ganz abschaffen. Oder man führt eine Ein-Prozent-Hürde und eine zusätzliche Ersatzstimme ein: Die würde gezählt, wenn es die gewählte Lieblingspartei nicht schafft. Eine charmante Idee – und eine sehr demokratische dazu.
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