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Ausstellung Die Hamburger Kunsthalle will Alberto Giacometti durch eine neue kunsthistorische Perspektive noch einmal neu entdecken. Das Vorhaben ist erstaunlich gut gelungen

Lässt sich das Werk eines tausendfach durchgenudelten Künstlers durch einen cleveren kuratorischen Schachzug neu entdecken? Nehmen wir Alberto Giacometti. Die Hamburger Kunsthalle versucht in ihrer Spielfelder-Schau durch eine neue kunsthistorische Perspektive auch einen neuen Blick auf sein Werk zu erzeugen. Es ist erstaunlich gut gelungen.

Die Ausstellung behauptet eine Kontinuität im Werk des gebürtigen Schweizers, von den frühen surrealistischen Spielfeldern hin zu den berühmten existentialistischen Figurengruppen. Zentral sind hierbei die Ordnung des Raumes und die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. Giacomettis Spielfelder aus den dreißiger Jahren sind horizontale Skulpturen, auf denen eigenartige Figuren oder Gegenstände zueinander in Beziehung gesetzt werden, Kegel, spitze Formen, Kugeln. Zwischen ihnen erscheint als ein ordnendes Element der Raum als Spielfläche, mit Schrägen, Einbuchtungen und Bahnen. Der Spielraum ist begrenzt, und die Regeln sind vorgegeben. Die Surrealisten haben das Motiv des Spiels häufig bemüht, Motive aus dem Schach waren beliebt. Spiel wurde immer auf einer symbolistischen Ebene verhandelt und stand letztlich für den Ernst und das Drama des menschlichen Lebens. Man spielt nicht mehr von 1931 ist ein Feld aus weißem Marmor. Giacometti hat es mit halbkugelförmigen Kratern versehen, in denen zwei Figurinen, die Tänzerinnen darstellen könnten, stecken. In der Mitte des Feldes sieht man grabähnliche Öffnungen, die Deckel liegen daneben. Es gibt keine Handungsoptionen mehr.

Das Modell für einen Platz von 1934 macht schon im Titel deutlich, dass Giacometti seine Spielfelder für den öffentlichen Raum entwarf. Man sieht hier ohne rechten Bezug zueinander eine Schlange, einen Pfahl und eine Kugel. Die Beziehungen könnten von Menschen hergestellt werden, die sich auf dem Feld bewegen. Das symbolische Spiel sollte in die Wirklichkeit übertragen werden. Die Agonie der Spielfelder wird in den vierziger Jahren auf die Tableaus der kleinen dünnen Figuren übertragen, die isoliert und beziehungslos schreitend und stehend die Bronzeplatten bevölkern oder als winzige Köpfe aus sockelartigen Quadern herauswachsen.

Giacometti selbst wird als Teil seiner Anordnungen kenntlich, durch zahlreiche Fotografien, die ihn zwischen seinen Figuren und Möbelstücken im Atelier zeigen. Er hat viel Zeit damit zugebracht, sie immer wieder neu zu gruppieren.

Eine Stärke der Ausstellung ist, wie der Betrachter räumlich einbezogen wird. Die Spielfelder werden in einem abgedunkelten Raum in beleuchteten Tischvitrinen präsentiert; geheimnisvoll und sakral. Um die Felder sind Hocker aufgestellt, die ein Spielergefühl hervorrufen, tatsächlich ist man jedoch Betrachter eines zum Ende gekommenen Spiels.

Am Schluss dann die großen Platz-Skulpturen: der Kopf, der Schreitende und die stehende Frau in einer sonst leeren Halle. Giacometti hatte sie für den Vorplatz der Chase Manhattan Bank in New York immer wieder neu zueinander in Beziehung gesetzt. Realisiert wurde das Projekt nie. Hier kann man nun erfahren, wie es ist, sich zwischen diesen drei Meter hohen Figuren zu bewegen.

Giacometti. Die Spielfelder Hamburger Kunsthalle, bis 19. Mai. Parallel läuft im Bucerius Kunst Forum in Hamburg die Ausstellung Alberto Giacometti. Begegnungen , bis 20. Mai

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