Schlag in Sharons Kontor

Kommentar Gaza-Referendum der Likud-Partei

Die Mitglieder des Likud haben ihrem Vorsitzenden eine schallende Ohrfeige verpasst, die recht schmerzhaft gewesen sein dürfte. Die Radikalen in der Regierungspartei konnten ihre Anhänger mobilisieren. Das Argument, ein Abzug aus dem Gaza-Streifen fördere den "Terrorismus", war für viele einleuchtend. Ob nicht eher die Siedlungen Ursache des palästinensischen Widerstandes sind, scheint keinem in den Sinn gekommen zu sein. Warum aber soll die Zukunft von sechs Millionen Israelis von einigen Extremisten bestimmt werden? Insofern war die Likud-interne Abstimmung eine Farce. Viel sinnvoller wäre ein nationales Referendum über die Auflösung aller Siedlungen gewesen. Nur dürfte für Ariel Sharon, den Schirmherren des kolonialistischen Siedlungsprojektes, schon jeder Gedanke an einen vollständigen Rückzug schizophrene Züge tragen.

Noch in der Endphase der Regierung Barak hatte er seine Siedlerfreunde aufgerufen, "jeden freien Hügel in der Westbank" zu besetzen. Und noch vor Wochen hatte die Siedlung Netzarim für Sharon den gleichen Stellenwert wie Tel Aviv. Ob nun aus dem Gaza-Rückzug überhaupt etwas wird, ist auf jeden Fall wieder offen.

Sharons Niederlage trifft auch George Bush, der sich mit seiner Parteinahme für den israelischen Premier weit aus dem Fenster gelehnt und die eigenen nationalen Interessen mit den israelischen in Deckung gebracht hatte. Ein Schulterschluss mit Sharon, der die drei anderen Mitglieder des Nahostquartetts - die EU, UNO und Russland - in beträchtliche Verlegenheit brachte. Nur der deutsche Außenminister konnte dieser Demütigung etwas Positives abgewinnen. Tatsächlich tendiert der politische Einfluss des Quartetts mehr denn je gegen Null, da für Ariel Sharon nur das Weiße Haus relevant ist.

Nichtsdestotrotz sollte man ihm raten, von seinem Siedlungskolonialismus Abschied zu nehmen und sich staatsmännisch zu verhalten wie weiland David Ben-Gurion zum Wohle Israels. Er könnte offensiv mit dem Votum der eigenen Partei umgehen und zurücktreten - oder sich zumindest von den extremistischen Ministern seines Kabinetts trennen. Eine Regierung der nationalen Einheit mit der Arbeits- und der liberalen Shinui-Partei scheint nicht ausgeschlossen. Shimon Peres hat sich dafür schon mehrfach angebiedert. Die Arbeitspartei als Ganzes sollte diesen Schritt allerdings genau überlegen, hat doch das Likud-Referendum auch gezeigt, dass es bei der Rechten nicht einmal die Bereitschaft gibt, eine Handvoll unbedeutender Camps in einem Wüstenstreifen aufzugeben. Was würde erst geschehen, wenn Beit El, Ofra oder Ariel in der Westbank zur Disposition stünden? Der ideale Ort für die 7.000 Siedler des Gaza-Streifens wäre die Negev- Wüste, die sie zum Blühen bringen und damit einen zionistischen Mythos beleben könnten. Das müsste doch in der israelischen Gesellschaft konsensfähig sein.


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