Sich eben mal bei Wikipedia bedient

Kulturkommentar Ein Geschichtsbuch über Seeschlachten schlägt gerade hohe Wellen. Warum hat der Verlag das Abschreiben nicht bemerkt?
Ausgabe 18/2014

Nun hat es auch das populärwissenschaftliche Sachbuch und einen renommierten Verlag erwischt. Nachdem Plagiate zunächst in Dissertationen von Berufspolitikern entdeckt wurden und zum Ende politischer Karrieren beitrugen, steht nun ein Werk von Fachwissenschaftlern auf dem Prüfstand. Die Historiker Arne Karsten und Olaf B. Rader sollen sich für ihr Buch Große Seeschlachten aus der Online-Enzyklopädie Wikipedia bedient haben. Ohne diese Quelle anzugeben. Öffentlich gemacht wurde das durch einen Facebook-User. Der attestierte dem Sachbuch zuerst, es sei „vollständig“ aus Wikipedia-Einträgen zusammenkopiert und „nicht zu retten“. Inzwischen rudert er zurück, beharrt aber darauf, es seien „mehrere wörtliche Übernahmen aus der Wikipedia vorhanden, wie jeder sehen kann“.

Beachtung verdient dieser Vorfall nicht nur wegen der Verfasser, die auf die Plagiatsvorwürfe mit der Androhung einer Unterlassungsklage reagierten. Sondern vor allem auch wegen des Verlags C.H. Beck, dessen Reputation durch solche Vorkommnisse erschüttert wird. Eben deshalb ist die von Verlagsseite angekündigte „gewissenhafte Überprüfung“ ein richtiger Schritt. Doch kommt diese Investition von Aufmerksamkeit nicht zu spät? Wo waren die Verlagsmitarbeiter während der Entwicklung des Buchprojekts? Sollte nicht ein Manuskript vor Einlieferung auf Herz und Nieren geprüft sein?

Auf diese Fragen hat der Lektor des Buches souverän reagiert. Selbstverständlich gibt es Fakten-Checks und stilistische Arbeit an Aufbau und Ausdruck. Doch von einer Urheberschaft der Autoren – die ja einen entsprechenden Vertrag unterzeichnen – geht der Verlag grundsätzlich aus. Schließlich sind es wissenschaftlich ausgebildete Personen, die ihre Zukunft in die Wagschale einer solchen Publikation werfen. Wer über das entsprechende Ethos nicht verfügt, sollte es bleiben lassen.

Deshalb zeigt das Buch von Arne Karsten und Olaf B. Rader, das laut Nebentitel „Wendepunkte der Weltgeschichte“ behandelt, mehr als nur einen weiteren Fall von Copy-Paste-Verfahren a la Guttenberg & Co. Es demonstriert nachhaltig die Bedeutung, die den Buchverlagen in Zeiten entgrenzten digitalen Wissens zukommen: Sie übernehmen die unverzichtbaren Funktionen des Auswählens und Verdichtens jener vielfältigen Stoffe, die wir in Buchform lesen möchten. Das schaffen sie jedoch nur, wenn das Ethos von Genauigkeit und intellektueller Redlichkeit in den beteiligten Autoren verwurzelt ist. Dazu gehört die Offenlegung der genutzten Quellen. Denn: Jeder darf Wikipedia nutzen und Aussagen in seine Texte übernehmen – Wenn er die entsprechenden Aufgaben des Nachweisens und Dankens übernimmt.

Ralf Klausnitzer lehrt Germanistik in Berlin

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