Sie hätten sich retten können

"Atomspione" Vor 50 Jahren wurden Ethel und Julius Rosenberg in New York hingerichtet

Menschen auf der ganzen Welt baten damals um Gnade, auch der Papst, vor allem für Ethel, Mutter zweier Kinder. Die beiden Todesurteile sollten Zeichen setzen, schrieb Präsident Dwight Eisenhower an seinen Sohn, obwohl es ihm eigentlich "gegen den Strich" gehe, eine Frau hinrichten zu lassen. Aber begnadige er Ethel und nicht Julius, würden die Sowjets in Zukunft nur noch Spioninnen rekrutieren.

In den achtziger und neunziger Jahren bekannt gewordene CIA- und FBI-Dokumente und sowjetische Quellen zeigen mit überwältigender Deutlichkeit, dass die Rosenbergs keine gefährlichen "Landesverräter" waren, die mit der Preisgabe des "Atombombengeheimnisses" das Leben "Millionen unschuldiger Menschen" aufs Spiel setzten, wie der Richter behauptete. Julius Rosenberg hat wohl gegen US-Strafgesetze verstoßen und sowjetischen Geheimdienstlern Material geliefert. Aber nicht "das Geheimnis" der Atombombe; das gab es nicht, das hat er nicht besessen. Ethel fiel einer FBI-inszenierten Falschaussage zum Opfer. Außer den Rosenbergs ist in den Vereinigten Staaten kein anderer ziviler Spion zum Tod verurteilt worden. Nicht einmal CIA-Beamte, die Namen von dann hingerichteten amerikanischen Agenten in der Sowjetunion preisgaben.

Julius und Ethel Rosenberg, Eltern zweier Kinder, er Elektro-Ingenieur, sie Hausfrau, fanden schon als junge Menschen Kontakt zur Kommunistischen Partei - nichts Ungewöhnliches im New York der dreißiger und vierziger Jahre. Da glaubten viele an die Möglichkeit einer neuen Welt, hatten Hoffnung, diese entstehe in der Sowjetunion. 1950 wurde das Ehepaar der "Verschwörung zum Spionieren" angeklagt. Julius habe unter anderem 1944 Ethels Bruder David Greenglass rekrutiert, einen Maschinenschlosser im "Los Alamos Nationallabor", wo US-Militärs die Atombombe entwickelten. Greenglass übernahm beim Prozess die Rolle des Kronzeugen. Er habe Julius wissenschaftliche Informationen zum Bau der Bombe gegeben. Ethel habe das Papier getippt - Greenglass kam mit 15 Jahren Haft davon.

Zum Zeitpunkt des Prozesses und Berufungsverfahrens (1951-53) war die kriegsverbündete UdSSR aus offizieller US-amerikanischer Sicht der gottlose Feind geworden, in Korea tobte der heiße Krieg, und in Washington machten sich der republikanische Senator Joseph McCarthy und FBI-Direktor J. Edgar Hoover auf Kommunistenhatz und ermittelten gegen tatsächliche und vermeintliche "rote Spione". Der Staatsanwalt legte großes Gewicht auf Rosenbergs politische Haltung; die Fakten wurden entsprechend zurechtgedreht. Mit der Anklage wollte die Staatsanwaltschaft hauptsächlich Druck auf Julius ausüben. Er sollte Namen nennen. David Greenglass hat seine prozessentscheidende Aussage gegen Ethel inzwischen zurückgezogen. Schuldgefühle habe er aber nicht, vertraute er dem Journalisten Sam Roberts bei stundenlangen Interviews für das Buch The Brother an: Die Rosenbergs hätten sich retten können, hätten sie nur ausgepackt.

Julius und Ethels Söhne Robert und Michael Meeropol (zehn und sechs Jahre alt bei der Hinrichtung, dann adoptiert von dem Ehepaar Meeropol) nehmen ihre Eltern in Schutz. Michael gegenüber Sam Roberts: "Als die Regierung zu meinen Eltern sagte, sie müssten voll und ganz kooperieren, dann hat das bedeutet, sie müssten andere dorthin bringen, wo sie damals selber waren. Und ich denke, sie taten, was jeder anständige Mensch getan hätte. Sie sagten: Nein." Robert sieht Parallelen zum Amerika nach dem 11. September 2001: Im "Krieg gegen den Terrorismus" würde in den USA Andersdenken kriminalisiert, und die Justiz wolle die Todesstrafe auf Menschen anwenden, die als "Bedrohung der Nationalen Sicherheit" gälten.

Manchmal denke er, wie schön es wäre, könnte er seinen Eltern heute zeigen, wie sich die Welt verändert hat, und sie fragen, was sie über ihr Verhalten dächten, so Michael Meeropol in The Brother. Auf McCarthy und Eisenhower und den scheinbar fest verankerten Kalten Krieg folgten John F. Kennedy und eine Demokratisierungswelle; die Vereinigten Staaten haben ihre außerordentliche Flexibilität unter Beweis gestellt. Wer weiß, was nach George W. Bush und dem "Terrorismuskrieg" kommt, der jetzt so schwer auf dem Land liegt wie damals der Kalte.

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