Smells like Teen Spirit

Kino „About a Girl“ erzählt in schöner Schnoddrigkeit vom Erwachsenwerden
Ausgabe 32/2015

Jugend kann eine unerfreuliche Angelegenheit sein. Das Feststecken in einer Situation, die man sich nicht ausgesucht hat (falscher Wohnort, falsche Familie, falsche Schule), dazu der Mangel an Perspektiven – das, was Eltern und Lehrer so vorleben, ist nicht zwangsläufig erstrebenswert. Der Kosmos der Möglichkeiten scheint ziemlich klein. Auch für Charleen in Mark Monheims Langfilmdebüt About a Girl.

Charleen (Jasna Fritzi Bauer) ist besonders. Sie führt ein Roadkill-Fotoalbum (in dem sie Bilder von toten Tieren auf der Straße sammelt werden), macht ihr Schulpraktikum beim Bestatter und pflegt eine Vorliebe für tote Musiker wie Winehouse, Cobain und Hendrix, und in ihr wächst „ein großer Gedanke“: Selbstmord als Abkürzung, zur Umgehung der fragwürdigen Erwachsenenwelt, direkter Weg ins Nirwana. Ruhe vor den Mitmenschen verspräche ein vorzeitiges Ableben ebenfalls.

Die Umsetzung scheitert allerdings. Charleen wacht im Krankenhaus auf, statt ewiger Ruhe erwarten sie familiäre Besorgnis, schadenfrohe Mitschüler und ein kauziger Psychotherapeut. Therapie muss sein, dafür trifft sie im Wartezimmer auf Linus (Sandro Lohmann). Linus ist der blässliche Einserschüler, der zum Inventar jeder Coming-of-Age-Geschichte gehört. Immerhin ist er privat recht eloquent und nach einer Kamikaze-Fahrt im Einkaufswagen finden er und Charleen sich nebeneinander liegend auf dem Mittelstreifen einer Schnellstraße wieder.

Suizid ist eigentlich ein Thema, das nicht diskutabel ist. Was lässt sich dazu schon sagen? Nicht mal der Pfarrer, der sich in der Küche von Charleens Oma (Dorothea Walda) in die Apothekenrundschau vertieft hat, möchte sich darauf festlegen, dass Selbstmörder nicht in den Himmel kommen. Trotzdem lässt sich kaum vernachlässigen, dass vorsätzliche Selbstbeschädigung, wie es beim Statistischen Bundesamt nüchtern heißt, in der Altersgruppe zwischen 15 und 20 Jahren bei einem von sechs Toden ursächlich ist.

Die Unbeholfenheit, mit der Eltern und Institutionen auf Probleme Heranwachsender reagieren, illustriert About a Girl präzise – wenn Charleens Mutter (Heike Makatsch) merkt, dass die Tochter unglücklich ist, als Ursache aber Streit mit der besten Freundin Isa (Amelie Plaas-Link) vermutet, anstatt ihr existenzielle Nöte zuzugestehen. Erwachsensein hat normalerweise Vorteile: Geld verdienen, selbst bestimmen, wo und mit wem man wohnt, unkompliziert harten Alkohol kaufen können. Für Charleen zeigen sich nur die Nachteile: Die Mutter ist hauptberuflich Powersellerin bei Ebay, der ungeschickte Stiefvater (Simon Schwarz) zugleich der Biolehrer. Der leibliche Vater (Aurel Manthei), irgendwie Berufsmusiker, hat die Familie frühzeitig verlassen und schläft seitdem in seinem Kombi.

About a Girl reagiert auf das komplizierte Thema mit einer Schnoddrigkeit, die sich so ähnlich in Florian Cossens thematisch verwandtem, nächste Woche startendem Film Coconut Hero findet. Charleens Grundhaltung ist ob der widrigen Umstände Genervtheit, was sich in schnippischen und morbiden Dialogen entlädt: „Wie war das Wochenende?“ – „Hell, dunkel, hell, dunkel, Montag.“ Eine kluge Entscheidung der Drehbuchautoren (Regisseur Monheim gemeinsam mit Produzent Martin Rehbock) – Pathos wird dadurch nämlich klein geschrieben.

Info

About a Girl Mark Monheim Deutschland 2015, 105 Minuten

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