Sportjournalismus aus dem Vergnügungspark

Medientagebuch Das "Aktuelle Sportstudio" wird 50. Es gibt guten Sportjournalismus in der oft kritisierten Sendung. Aber ein Beispiel zeigt, dass er schlecht platziert wird
Ausgabe 30/2013

Der kritische Sportjournalismus ist nicht tot, er wird heute nur anders ausgelebt“, hat Dieter Gruschwitz, der Sportchef des ZDF, neulich gesagt, als der Sender zu einer Pressekonferenz eingeladen hatte, um auf ein Jubiläum einzustimmen. Am 10. August feiert das Aktuelle Sportstudio seinen 50. Geburtstag, und natürlich ist das für die Senderleute ein Anlass zu betonen, dass die Sendung besser sei als ihr Ruf. Die Abgesänge, die sie in den vergangenen Jahren über sich ergehen lassen musste, sind zahlreich.

Da fügte es sich gut, dass der kritische Sportjournalismus Ende Juli im Sportstudio ausnahmsweise mal wieder ausgelebt wurde. Zu Gast war der Sportmediziner Perikles Simon, seine Expertise war gefragt, weil gerade eine Reihe von Leichtathletik-Sprintstars als Doper aufgeflogen sind, darunter Asafa Powell und Tyson Gay, der 2012 die bisher schnellste Zeit über 100 Meter gelaufen war. Simon sorgte dafür, dass die Traditionsshow des ZDF endlich mal wieder Anlass für Debatten lieferte – vor allem mit der Aussage, er habe an einer Dopingstudie für den Leichtathletik-Weltverband IAAF mitgearbeitet, aber die Daten würden nun unter Verschluss gehalten, und eigentlich dürfe er sich dazu gar nicht äußern. Ein Hauch von Whistleblowing wehte da durch das Studio. In geringerem Umfang für Widerhall sorgte noch Simons Schätzung, „60 Prozent aller Hochleistungssportler“, die bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London dabei waren, seien gedopt gewesen.

Es ist löblich, dass das ZDF Simon eingeladen hat, aber symptomatisch für die Schwächen der Sendung, wie die Macher das von zwei Filmberichten flankierte Gespräch platzierten. In der Inhaltsübersicht war Doping das Thema Nummer eins, doch dann musste der Zuschauer mehr als die Hälfte der Sendezeit überstehen, bis das Gespräch zwischen Katrin Müller-Hohenstein und Simon losging. Weggesendet wurden vorher: banale Impressionen zur Lage des deutschen Frauenfußballteams (mit vielen Bildern aus einem Vergnügungspark), ein Bericht vom Langstreckenschwimmen, die Aufforderung an die Zuschauer, anlässlich des 50. Geburtstags eigene Versionen der Sportstudio-Melodie einzuschicken, und eine kurze Performance der anderen Studiogäste, der Beachvolleyball-Vizeweltmeisterinnen Karla Borger und Britta Büthe, die auch Musik machen.

Es hätte viel dafür gesprochen, in der ersten Sendung nach einer 14-tägigen Sommerpause mit einer Analyse der Entwicklungen in der Leichtathletik aufzumachen; schon der zwei Wochen später beginnenden WM wegen. Hinzu kommt: Normalerweise ist das ZDF vertraglich verpflichtet, die Sendung mit dem 18.30-Uhr-Spiel eines Bundesliga-Spieltags zu beginnen, aber weil die Erste Liga noch pausiert, war die Redaktion relativ frei.

Im Regelbetrieb wäre es schwer, ein Gespräch über Doping überhaupt unterzubringen. Daran, dass Debatten über einen längeren Zeitraum am Laufen gehalten werden, ist erst recht nicht zu denken. Das war mal anders: Sportstudio-Mitbegründer Harry Valérien, der 283 Mal moderierte, gelang es 1977, drei Doping-Sondersendungen ins Programm zu hieven.

René Martens schreibt unter anderem über Medien, Sport und Sport in den Medien

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