Wir leben in einer VUKA-Zeit. Alles scheint volatil, unsicher, komplex und ambivalent zu sein. Die Herausforderung dabei ist, entscheidungs- und handlungsfähig zu bleiben. Das gilt für jeden und jede von uns. Und das gilt ebenso für die Politik. Um in VUKA-Zeiten nicht im Chaos, im Zynismus oder im Burn-out zu versinken, braucht es unternehmerischen Esprit. Auch und gerade in der Politik. Die Komponisten und Taktgeber, die wir für eine gute gesellschaftliche Weiterentwicklung brauchen, sind politische Entrepreneure. Politische Entrepreneure spüren ihre Mission, sie haben Visionen und sie sind tatkräftige Umsetzer. Sie steigen mit dem Mut und dem Enthusiasmus des Pioniers in den Ring, um den Wettbewerb um die besseren politischen Lösungen auszurufen. Es ge
geht um die Entschlossenheit und die Fähigkeit, neue Ideen und Erfindungen in erfolgreiche soziale Innovationen umzusetzen. Dazu braucht es ungestüme Beharrlichkeit, Bereitschaft zum Risiko ...“Dieser Text findet sich auf der Homepage des Matthias Strolz, und er dürfte durchaus wiedergeben, wie der Chef der pinken NEOS – Das Neue Österreich – so tickt. Die angehäuften Reizwörter stammen allesamt aus einem Ökonomie-Erleuchtungsseminar: Mission, Vision, Risiko, Enthusiasmus, Innovation. Nichts wird da ausgelassen. Die Kraft der Substantive ergibt sich nicht aus ihrem Gewicht, sondern speist sich aus dem Glauben des ökonomifizierten Publikums, das sich in diesem Vokabular der Erfolgreichen wiedererkennen will und entsprechend wählt. Ebenso nicht zu überlesen ist der esoterische Flair der Phrasen: VUKA-Zeit, da hört man im Hintergrund einen Wassermann plätschern, der da kommen soll, obwohl es doch sternzeichenmäßig bloß ein alter schwarzer Fisch ist, der hier in neuer Schale posiert.Strolz selbst bewegte sich jahrelang im Umfeld der Volkspartei, war Mitarbeiter im ÖVP-Parlamentsclub, zuletzt Berater der glücklosen ÖVP-Spitzenkandidatin Christine Marek bei der Wiener Gemeinderatswahl 2010. Seine Stellvertreterin Beate Meinl-Reisinger war übrigens deren Büroleiterin. Die NEOS sind Fleisch vom Fleisch der ÖVP, personell wie ideell. Sie sind eine kleine wirtschaftsliberale Schachtel, die sich pinkifiziert hat, sodass pfiffig erscheint, was abgestanden ist.Österreichs Parteiensystem ist im Umbruch. Anders als in Berlin setzt sich in Wien nicht noch einmal Kontinuität durch, sondern ein Bruch folgt dem nächsten. Über einen Mangel an Schnelllebigkeit kann man sich nicht beschweren. Kaum wird eine Sternschnuppe entdeckt, ist sie schon wieder abgestürzt. Frank Stronach etwa, dessen Team in absehbarer Zeit Geschichte gewesen sein wird.Es ist kein Jahr her, da wusste niemand was von den NEOS oder von Strolz, da dachte man eher noch an den Aufstieg der Piraten. Die waren zwar hierzulande nicht so stark wie in Deutschland, aber durchaus rege und bereits in einige Gemeinderäte (Innsbruck, Graz) eingezogen. Der Newcomer der Saison ist aber nicht irgendein Pirat, sondern der 1973 in Vorarlberg geborene Matthias Strolz, ganz ein Produkt der modernen Marketing- und Coaching-Zone. So will er auch als Moderator in eine erweiterte rot-schwarze Koalition einsteigen und diese auf Vordermann bringen.Das Credo wirkt banalGleich der grünen Konkurrenz sind die NEOS eine Partei der urbanen Modernisierungsgewinner. Doch versuchen sie nicht wie die Ökopartei einen Spagat aus sozial und liberal hinzukriegen. So ist es Strolz gelungen, sowohl in den Reihen der ÖVP als auch der Grünen zu wildern, das kleine liberale Stammpublikum für sich zu mobilisieren und auch noch das Team Stronach abzuräumen. Da konnte einer Stimmen sammeln, dem man das in dieser Größenordnung nicht zugetraut hätte. Aber man soll auch nicht übertreiben, das Ergebnis ist – verglichen mit Berlin – eines in der Höhe der dezimierten FDP.Selbst dass das Wort NEOS mit „neoliberal“ zu assoziieren ist, störte nicht. Strolz’ haltloser Glaube an den Markt und seine Segnungen spukt in nicht wenigen Köpfen. „Die Wirtschaft ist ein dynamisches Lebewesen“, visionierte er in der ORF-Pressestunde vom 13. Oktober. Das Credo geht wohl so: Nicht die Wirtschaft soll was von den Menschen verstehen, sondern die Menschen was von der Wirtschaft. Politiker sind inkompetent, Wirtschaftskapitäne hingegen kompetent. Eigenartigerweise wird die ökonomische Krise mehr der Politik zugeschrieben als der Wirtschaft. Nicht zuletzt ist wohl auch deswegen die Vierprozent-Hürde übersprungen worden, weil Frank Stronach mit seinem unermüdlichen Wirtschaftsgelaber den Boden bereitet hat, dann aber im Wahlkampf als senil und debil über den Bildschirm kam. Der Geldgeber der NEOS, der Kärntner Bauunternehmer Hans-Peter Haselsteiner, der gleich dem Spitzenkandidaten im Wahlkampf eine Rolle spielte, konnte sich als seriöser Unternehmer präsentieren, noch dazu als einer, der gerade Sätze spricht und nicht als unflätiger Grobian auffällt. Da half auch Stronachs sinngemäßer Einwand nicht, er sei der mit dem Weltkonzern, der andere ein kleiner Baumeister.„Alles wird gut. Immer wieder“, prophezeit Strolz. Das stimmt genauso wie das Gegenteil. Über den vordergründigen Reklameeffekt hinaus hat diese Aussage keinen Gehalt. Sie predigt schlicht das positive Denken, auch das ist nichts NEONeues, sondern politischer Usus. Schauen wir also, wie volatil sich die NEOS gestalten. Entscheidend wird sein, wie sie bei der Gemeinderatswahl in Wien 2015 abschneiden. Kommen sie dort nicht rein, dürften sie auch wieder weg sein. So ist das in VUKA-Zeiten.