Und dann gingen wir noch den Maler Ebert am Stadtrand besuchen", beginnt ein Gedicht Sarah Kirschs von 1970. Gemeint ist der Stadtrand von Halle, und es klingt, als gehörte der Besuch beim Maler Ebert zu einem Aufenthalt in Halle dazu. Albert Ebert (1906 - 1976) wurde auch der "Henri Rousseau von der Saale" genannt. Der Vergleich trifft mit Sicherheit für den unverstellt naiven Blick zu, mit dem Ebert seine Umwelt sah und beschwörend wiederzugeben verstand. Die Alltagssituationen auf Eberts Bildern sind immer ein Stück ins Zeitlose entrückt. Mädchen, Katzen, Akrobaten, in sich Versunkene, Engel, Putten und Posaunen bevölkern die Bildflächen und fördern Traumhaftes zu Tage. Ein Blumenmarkt erscheint in nebliger Atmosphäre, hell und festlich
estlich gekleidete Frauen wandeln um die Blumentische herum, vertieft in den märchenhaften Glanz, der von den Blumen ausgeht. Über die DDR-Gegenwart der fünfziger Jahre legt sich ein Hauch verklärten Charmes aus dem 19. Jahrhundert. Einzig eine Litfasssäule sticht klar aus der Verschwommenheit hervor, auf der ist das Wort "Frieden" zu lesen. Ebert schlug in seinen Bildern einen Ton zwischen Verzauberung und leiser Ironie an, der unter seinen Künstlerkollegen Aufmerksamkeit und Bewunderung erregte. Später gelangte er zu Ruhm in der DDR. Nach der Wende geriet Eberts Name über Jahre in Vergessenheit. Anlässlich seines 25. Todestages im letzten Jahr präsentierte die Staatliche Galerie Moritzburg Halle eine hervorragend ausgewählte und gehängte Ausstellung der wichtigsten Gemälde Eberts, die nun von März bis Mai noch einmal im Museum Junge Kunst in Frankfurt an der Oder zu sehen ist. Der begleitende Katalog enthält das erste wissenschaftliche Werkverzeichnis. Ebert wurde 1906 in Halle geboren, war gelernter Maurer und arbeitete außerdem als Laufbursche, Dachdeckergehilfe und Heizer. 1939 zum Militär eingezogen, geriet er in sowjetische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1945 nach Halle zurückkehrte. Dem erlebten Grauen wollte Ebert, wie er selbst beschreibt, etwas entgegen setzen, das Freude bereitet. Er wollte Maler werden. Die Geschichte taugt zur Legende: Als er sich auf der Kunstschule Burg Giebichenstein bei Charles Crodel bewarb, war Ebert vierzig Jahre alt. Crodel lehnte ihn zunächst wegen seines Alters ab. Daraufhin fragte ihn Ebert, wie alt man denn sein müsse, um Maler zu werden. Das überzeugte den Lehrer. Drei Semester auf Giebichenstein folgten. Sie gaben dem Autodidakten Anregungen, ließen das Ursprüngliche seiner bildnerischen Arbeit aber unberührt. Während seiner Arbeit als Restaurator von Ikonen in der Werkstatt von Kurt Bunge verfeinerte Ebert seine Lasiertechnik und ging zu kleinen Bildformaten über: Miniaturen, die an das Seherlebnis von Guckkästen erinnern. Viele der Holztafeln ließ sich Ebert vom Tischler gleich mit breiten Rahmen fertigen, die er dann, abgestimmt auf die Farben im Bild, selbst gestaltete. Oft ist es ein düsterer Hintergrundton, aus dem die Szenerie langsam emportaucht, um dort, wo der Maler seinen Akzent setzt, magisch leuchtend zu erstrahlen: Lichterketten beim Lampionfest, schillernde Brokatvorhänge oder auch der weiße Leib Ledas, wenn sie ihren Schwan empfängt. Vor Ledas Bett stehen übrigens, ordentlich gereiht, ihre roten Plüschpantoffeln. Die Erotik auf Eberts Bildern ist rührend kleinbürgerlich schamhaft. Sie versteckt sich in den zahlreichen Maler-und-Modell-Variationen, wo meist ein Vorhang ins Bild fällt, hinter dem entweder ein Teil des weiblichen Akts oder der Maler selbst verschwindet. An mythologischen oder religiösen Motiven hat Ebert "das Menschliche" interessiert: "Aus der biblischen Geschichte und aus dem Leben, da such´ ich mir das Schönste raus." Seine Verführung des heiligen Antonius zeigt einen stoischen Einsiedler, der von phantastischen Tiergestalten mit ausgefahrenen Krallen, Schnäbeln, Zähnen vergeblich angefochten wird. Der unbeirrte Blick des Heiligen geht mit einem unverkennbar ironischen Unterton über sie hinweg. Einschneidende Folgen hatte Eberts Teilnahme an der Ausstellung "Christliches Kunstschaffen" 1956 in Weimar. Zum ersten Mal fanden seine Bilder außerhalb von Halle Anerkennung. Die SED, in die Ebert 1946 als Sozialdemokrat aufgenommen worden war, distanzierte sich anschließend von ihm, was jedoch seiner Beliebtheit als Maler keinen Abbruch tat. Bereits ein Jahr später fand in Berlin auf Initiative Waldemar Grzimeks eine Einzelausstellung im Pavillon der Berliner Zeitung statt, die eine Art Durchbruch für den Maler war: Alle Bilder wurden verkauft. Die Nationalgalerie erwarb zwei Gemälde, darunter wohl sein berühmtestes, Heizers Geburtstagsständchen, ein autobiographischer Tagtraum. Ebert, der zwischen 1954/55 als Heizer auf die Burg Giebichenstein zurückkehrte, inszeniert auf diesem Bild seine Plackerei in kosmischen Dimensionen. Das dunkle Gewölbe des Heizungskellers wird aus zwei Quellen beleuchtet: Von oben rechts schweben Engel mit Posaunen ins Bild. Unten, aus der geöffneten Feuerklappe, lodern die Flammen des Höllenfeuers und lassen teuflische Gestalten erkennen. Der Heizer schürt pflichtbewusst das Feuer, mit einem Schutzengel zur Seite. Die Familie gratuliert, und eine Blaskapelle spielt auf. Über seine Kunst sagte Ebert einmal: "Ich setze mich hin und fange ganz ernsthaft an - und am Schluss, wenn ich fertig bin, ist da irgendwie ´ne heitere Note." Es war wohl diese Fähigkeit, die ihm zur Sonderposition des Geheimtips in der DDR verholfen hat. Die Unbefangenheit, mit der er seiner Berufung nachging, bewahrte ihn vor jeder Vereinnahmung. Künstler verschiedener Metiers suchten ihn in der Hallenser Talstraße auf, wo er zurückgezogen lebte, die Wände dicht behängt mit vollendeten und unvollendeten Bildern als scheute er die Leere der weißen Fläche. Über Ebert erschienen eine Monographie, Bildbände und ein Dokumentarfilm. 1974 publizierte Gerhard Wolf in dem Buch Wie ein Leben gemalt wird erstmalig auch eine Auswahl des Erzählwerks des Malers. Die Staatliche Galerie Moritzburg Halle widmete Ebert zu seinem 70. Geburtstag, im Oktober 1976, eine 300 Werke umfassende Ehrenausstellung, die zu seiner ersten Gedächtnisausstellung wurde. Der schwer kranke Maler starb wenige Tage nach der Eröffnung. Am Stadtrand von Halle, in Kröllwitz, reihen sich die Wohnhäuser an der Saale entlang bis die sich gabelt: Ein Flussarm krümmt sich dann nach rechts, der andere fällt ab ins Wehr. Das letzte Haus ist das verfallene Kontorgebäude der ehemaligen Papiermühle, das heute wegen Einsturzgefahr gesperrt ist. Hier lebte Albert Ebert von den Fünfzigerjahren bis zu seinem Tod. Aus seinem Fenster blickte er auf das Wehr und eine schmale Brücke, die zum Forstwerder führt. Ebert hat die Umgebung oft gemalt. Auf einem Bild spiegelt sich die Landschaft so klar im Fluss als wäre sie in zwei Richtungen - nach oben und in die Tiefe - gewachsen. Begegnet man dem Ort anschließend wirklich, sucht man unweigerlich nach dem stillen Glanz, der von dem kleinen Tafelbild ausgeht. Albert Ebert. Malerei. Museum Junge Kunst, Frankfurt/ Oder, noch bis Ende Mai. Zur Ausstellung erscheint die Katalogausgabe des Buches Albert Ebert. Malerei., Hrsg. von Helmut Brade, Verlag Faber, Leipzig 2001, 50,10 E, Museumspreis: 35,10,- EUR
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