Von den Rändern der Mitte

Ausstellung „Black Box Ecuador“, Schlossplatz, Berlin Vor dem Berliner Schlossplatz steht eine Ausstellung über Kolonialismus. Vier Black Boxen gehen dabei gesondert auf Ecuador aber auch auf die Verantwortung Europas ein.

Der Raum ist offen. Der Berliner Schlossplatz harrt der Dinge, die kommen werden, seit die Neugestaltung mit Berliner Schloss und Humboldtforum von der Bundesregierung auf 2014 verschoben wurde. In nicht allzu ferner Zukunft sollen hier zwischen barocken Fassaden neben der Zentral- und Landesbibliothek die wissenschaftlichen Sammlungen der Humboldt-Universität, die außereuropäischen Sammlungen des Ethnologischen Museums sowie des Museums für Asiatische Kunst untergebracht werden.

Von einem „Haus der Weltkultur auf dem Schlossplatz“ träumte im September der Berliner Tagesspiegel. Auf der einen Seite soll die Museumsinsel mit ihren europäisch orientierten Sammlungen die Mitte der Stadt prägen, auf der anderen das Humboldtforum mit Kunst und Kultur aus Afrika, Asien, Ozeanien, Nord- und Südamerika. Doch die Frage bleibt, wie sich ein „Dialog der Weltkulturen“, den die Stiftung Berliner Schloss-Humboldtforum anstoßen will, vor dem Hintergrund kolonialer Vergangenheit, gegenwärtiger Asymmetrien und eurozentristischer Vorstellungen an diesem Ort gestalten soll.

Eine Antwort gibt derzeit eine performative Intervention, die sich mit Kolonialpolitik und der Verantwortung Europas auseinandersetzt. Black Box Ecuador pflanzt für den Zeitraum eines Monats vier schwarze, teilweise zu betretende Holzschachteln auf den Schlossplatz. Nicht mitten ins Grün des gepflegten Rasens purzelten die vier mannshohen Kisten, die mal gerade, mal schräg stehen. Sie wurden zwischen die Temporäre Kunsthalle und Humboldt-Box gequetscht, über Gehwegplatten verbunden und mit Leuchtstrichen markiert.

Zum 200. Jahrestag der Unabhängigkeitsbewegungen in Lateinamerika rückt diese Text-, Ton-, Foto- und Filminstallation eine Marginalie ins Zentrum: das Chota-Tal, eine der ärmsten Gegenden Ecuadors, und zugleich ein Ort, an dem Afro-Ecuadorianer leben – die Nachfahren von Sklaven aus Afrika, die heute zehn Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Zeitleisten in einer Box referieren die Geschichte des Sklavenhandels und Widerstands: Jesuiten setzten ab dem 16. Jahrhundert verschleppte Afrikaner zur Arbeit auf Zuckerrohrplantagen ein. Durch Sichtfenster in einer Box kann man deren Odyssee nachvollziehen; dazu werden Auszüge aus einem Essay Alexander von Humboldts über die Sklaverei auf Kuba von Band vorgetragen. Nach Ausweisung der Jesuiten Ende des 18. Jahrhunderts wurde die spanische Krone zum „größten Sklavenbesitzer Amerikas“. Viele Sklaven kämpften von 1810 bis 1830 in den Unabhängigkeitskriegen. Erst 1851, mehr als 20 Jahre nach der Staatsgründung Ecuadors, wurde die Sklaverei abgeschafft.

Der Kampf gegen Rassismus in der Gesellschaft und für eine positive Repräsentation hält an. Neben Kunst und Kultur, die sich unter anderem in traditionellen Musikinstrumenten und Tänzen zeigt, widmet sich eine Box den „Fußballgöttern“ aus dem Chota-Tal: Vier Spieler des Nationalteams, das bei der WM 2006 antrat, kamen aus der Region. Die Stiftung Berliner Schloss-Humboldtforum, der zur Bereitstellung der Fläche das Ausstellungskonzept vorlag, habe dieses „interessant“ gefunden, wie Kuratorin Isabel Raabe sagt. Der Raum zum kritischen Dialog der Weltkulturen ist ein Spaltbreit geöffnet.

Black Box Ecuador. Bis 22. Oktober auf dem Berliner Schlossplatz. Eintritt frei

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