Vor dem Feedback-Bogen sind alle gleich

Verschulung Die Piraten geben sich neuerdings Noten. Wenn das auch in anderen Lebensbereichen Schule macht, ist endlich Schluss mit der nervtötenden Diskussionskultur!
Ausgabe 10/2013
Zurück in die Zukunft? Noten machen bei den Piraten Schule (Bild: "Caught Napping" von Alexander Hohenlohe Burr, 1866)
Zurück in die Zukunft? Noten machen bei den Piraten Schule (Bild: "Caught Napping" von Alexander Hohenlohe Burr, 1866)

Foto: imago

Die Piratenpartei hat die politische Welt in dieser Woche wieder mit einer revolutionären Idee erschüttert. Dabei handelt es sich nur erneut nicht um Inhalte, sondern um ein weiteres Instrument. Im Zuge einer Mitgliederbefragung hat die Basis die Leistungen ihres Vorstands nämlich mit Schulnoten bewertet. Parteichef Bernd Schlömer bekam eine 3,2; der nicht allzu beliebte Geschäftsführer Johannes Ponader eine glatte 6. Was daran revolutionär ist? Ganz einfach: Diese Vorgehensweise ist radikal effizient und gnadenlos überzeugend. Provozieren Themen oder Personen zu viele schlechte Noten, werden sie in Zukunft einfach nicht mehr versetzt.

Wenn die Piraten damit einen Trend setzen, könnten Noten neben der Politik auch in vielen anderen Lebensbereichen – aufgepasst! – Schule machen. Paare etwa könnten Bewertungsbögen ausfüllen, um sich ihrer Beziehungsrealität zu stellen. Und sich so qualvolle Stunden des Streits ersparen. „Als Liebhaber bist du ’ne Fünf, aber als Hausmann ’ne Zwei.“ Zack, fertig. Auch der tägliche Informationsüberfluss des Facebook-Feeds wäre wieder handhabbar. Der neueste Text von Schirrmacher? Eins minus. Der drohende Teilabriss der East Side Gallery? Knallharte Fünf. Die Bekanntschaft vom Wochenende? Mit viel gutem Willen eine Drei. Das Geniale am Notensystem: Niemand entkommt der Bewertung. Vor dem Feedback-Bogen sind alle gleich.

Allerdings ist man hierzulande seit der GEZ-Gebührenreform vorsichtig mit gesellschaftlichen Großumwälzungen geworden. Neuerdings fragt die politische Intelligenz ja erstmal: Wozu? Und braucht man das wirklich? Zumindest die Vorteile einer Verschulung der Politik liegen aber auf der Hand. Die Zeiten tiefergehender öffentlicher Auseinandersetzungen über dieses oder jenes Thema wären so endgültig vorbei. Nervtötend langwierige Diskussionen könnte man per Feedbackbogen abkürzen. Das würde auch all jenen entgegenkommen, denen eine differenzierte Entscheidungsfindung zu anstrengend geworden ist. Ob der Notengeber überhaupt kompetent ist, dass zu Benotende zu beurteilen, kann man da vernachlässigen. Als Beweis seiner Kompetenz fungiert schließlich die Note. Als Attitüde passt das wunderbar zu den Piraten, die vom politischen Geschäft erst einmal nichts Genaueres wissen wollten.

Wer angesichts dieser Argumente für die Verschulung aller Lebensbereiche schon um die Versetzung bangt, sei aber beruhigt. Bis die Piraten derartige Ideen in den Bundestag einbringen und flächendeckend umsetzen können, ist das Sitzenbleiben längst abgeschafft.

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