Warum Männer Kachelmann widersprechen müssen

Männersache Jörg und Miriam Kachelmann ziehen von Pressetermin zu Pressetermin und prangern eine "gewohnheitsmäßig Männer verurteilende Justiz" an. Die Wirklichkeit sieht anders aus
Warum Männer Kachelmann widersprechen müssen

Illustration: Otto

"Oje, nicht schon wieder, werden Sie sagen, nicht schon wieder der Kachelmann", schreibt Jörg Kachelmann selbst im Vorwort des Buchs Recht und Gerechtigkeit – Ein Märchen aus der Provinz, das er gemeinsam mit seiner Frau Miriam in der vergangenen Woche veröffentlichte. Recht hat er. Nach einem quälenden Prozess und einem Medienspektakel sprach das Landgericht Mannheim ihn im vergangenen Jahr frei. Doch in der öffentlichen Meinung war der fröhliche Wetterfrosch bei vielen zur giftigen Kröte mutiert, als sich herausstellte, dass er zahlreiche Frauen – um es in seiner Sprache auszudrücken – jahrelang "verarscht" hatte.

Um den Mediensturm nun neu anzufachen, rechnen die Kachelmanns ab mit der "gewohnheitsmäßig Männer verurteilenden Justiz" und einer "Opferindustrie, die in dieser kranken Form endlich wegmuss", wie Miriam Kachelmann im Spiegel-Interview sagte. "Das ist das Opfer-Abo, das Frauen haben. Frauen sind immer Opfer, selbst wenn sie Täterinnen wurden", so ihr Mann.

Die meisten Taten werden nicht angezeigt

Falsche Anschuldigungen und Justizversagen sind in Einzelfällen keineswegs von der Hand zu weisen, wie der Fall des Lehrers Horst Arnold zeigt, den eine Kollegin fälschlich der Vergewaltigung bezichtigt hatte. Jahrelang saß er unschuldig im Gefängnis; nach erwiesener Unschuld und Freilassung war er ein gebrochener Mann und starb vergangenen Sommer. Doch die allermeisten Sexualstraftaten werden nicht angezeigt. Die Anzeigebereitschaft von Vergewaltigungsopfern beträgt schätzungsweise fünf Prozent. Nach dem Kachelmannprozess ist es kaum wahrscheinlicher, dass sich Frauen die Tortur antun, ihr Intimleben in aller Öffentlichkeit auszubreiten.

Angesichts dieser altbekannten Tatsachen gelang es Kachelmann beim Talk bei Günther Jauch vergangenen Sonntag nicht, sich als Opfer zu stilisieren. Er brauchte seine nicht halb so alte Gattin, die für ihn und generell für die Männer als Opfer verbissen kämpft.

Das Problem liegt dabei in der Verallgemeinerung. Aus Kachelmanns Fall wird eine "Opferindustrie" abgeleitet. Der ehemalige Innenminister Gerhart Baum wies bei Jauch dankenswerterweise darauf hin, dass das große Problem aber nicht Frauen sind, die Männer fiktiver Verbrechen bezichtigen, sondern Männer, die Frauen Gewalt antun. Es ist wichtig, dass gerade Männer dem Ehepaar Kachelmann hier laut und deutlich widersprechen.

Gerhard Hafner arbeitet als Diplom-Psychologe mit gewalttätigen Männern in Berlin.

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