Was hat er denn?

Alltagskommentar In der neuen Version des Computerspiels Sim City gibt es neuerdings auch Wutbürger. Deren Botschaften sind allerdings nicht immer ganz verständlich – wie im echten Leben
Ausgabe 12/2013
Was hat er denn?

Foto: Odd Andersen/ AFP/ Getty Images

Die Wutbürger gehören mittlerweile zur Institution unseres Landes. Nun hat ihnen sogar ein Computerspiel ein virtuelles Denkmal gesetzt. In der Neuauflage des Simulationsspiels Sim City, das eine Stadt samt ihrer Akteure nachahmt, stürmen unzufriedene Bürger regelmäßig auf die Straßen, sollten ihre Bedürfnisse unbefriedigt bleiben. Doch sind ihre Forderungen nicht immer einleuchtend. Das Spiel simuliert so gesehen das wahre Leben. Auch bei den realen Wutbürgern ist nicht immer klar, wofür sie eigentlich stehen. Die Aufmerksamkeit der Medien und Politik war ihnen stets sicher. Die politische Kultur der Bundesrepublik konnten die Protestler mit ihrer Entrüstung aber nicht verändern. Dafür bräuchte es konkrete Alternativen.

Seit zweieinhalb Jahren rätseln Medien und Politik nun schon: „Was hat er, was will er denn?“ Ein wachsender Teil der Bevölkerung trägt seine Empörung über vermeintlich falsche politische Entscheidungen immerhin lautstark auf die Straße. Eine Antwort bleibt aus. Zwar stellte eine Studie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung fest, dass es das Misstrauen gegenüber der Politik und ihren Vermittlern ist, was die (zumeist männlichen und hochgebildeten) Protestierenden antreibt. Offen bleibt, ob diese Gruppe eine konkrete demokratische Vision teilt, die über ein diffuses Mehr an Basisbeteiligung hinausgeht.

Volksvertreter und Medien sind nie so richtig warm geworden mit ihren frustrierten Mitbürgern. Das ist auch dem medialen Bild geschuldet, das von den Protestlern gezeichnet wird. Deren heftige Emotionen sind so gar nicht mit einem Politikbetrieb kompatibel, in dem verkopfte Experten für Ökonomie und Recht den Ton angeben. Allerdings ist es auch den zornigen Bürgern bislang nicht gelungen, sich ihren Vertretern und dem Rest der Bevölkerung zu erklären. Die Figur des Wutbürgers bildet trotz alldem längst eine feste Größe des politischen Betriebs. Schließlich passt der hochemotionale zornige Bürger gut zu der momentanen politischen Kultur, in der Debatten theatralisch inszeniert werden, ohne dass sie den Kern der Probleme wirklich berühren würden. Die Wutbürger lassen sich bei diesem Spiel für bestimmte politische Zwecke instrumentalisieren, haben aber selbst weder eine aktive Rolle noch eine Agenda. Sollte diese Bewegung jemals über reformatorisches Potenzial verfügt haben, ist dieses inzwischen erloschen. Wer den Gang der Dinge höchstens lähmen, nicht aber produktiv beeinflussen kann, von dem wird nicht mehr als ein Avatar in einem Computerspiel bleiben.

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