Weder beglückend noch ehrenvoll

Libyen-Intervention Es gibt einige Anzeichen dafür, dass sich Präsident Sarkozy mit dem militärischen Engagement gegen Gaddafi übernommen hat. Jedenfalls sinken die Zustimmungsquoten

Zunächst fanden die Luftangriffe gegen Libyen die Zustimmung von drei Vierteln der Franzosen, was Nicolas Sarkozy, der sich 2012 zur Wiederwahl stellen will, nur recht sein konnte. Mittlerweile aber sind nach Meinungsumfragen nur noch 51 Prozent dafür – kein Zufall. Nach der Rückkehr von einem Überraschungsbesuch in Afghanistan musste Sarkozy ausgerechnet am 14. Juli wieder sieben im Einsatz getötete Soldaten beerdigen – 63 insgesamt sind bisher am Hindukusch ums Leben gekommen. In Afghanistan hatte der Präsident noch pathetisch verkündet, ein Staatsmann müsse „einen Krieg auch beenden können.“ Statt eines Kriegsendes ist jedoch vorerst nur der Abzug von 1.000 der 3.900 stationierten Franzosen versprochen. Zu Libyen schweigt Sarkozy.

Die Totenfeier für die getöteten Soldaten in Paris wurde zu einer pompös patriotischen Inszenierung im Hof des „Hôtel des Invalides“, wo auch das Armeemuseum sein Domizil hat. Sarkozy scheute sich nicht, einmal mehr die ausgelaugte Horaz’sche Phrase zu gebrauchen, wonach es „beglückend und ehrenvoll“ („dulce et decorum“) sei, im Krieg fürs Vaterland zu sterben. Den Hinterbliebenen versicherte er, die Soldaten seien „nicht umsonst gestorben“, sondern zur Ehre Frankreichs und seiner Freiheit.

Kurz vor dem Nationalfeiertag hatten 482 Abgeordnete der Nationalversammlung für ein verlängertes Libyen-Mandat votiert. Es gab nur 27 Gegenstimmen (Kommunisten und Grüne), das heißt, die gesamte sozialistische „Opposition“ steht hinter dem Kriegsherrn im Elysée. Trotz des Votums werden einzelne Militärs unruhig. Generalstabschef Admiral Guillaud grummelt, „wir sind in einer schwierigen Lage“. Er rechnete zunächst mit einem Einmarsch in Tripolis am 14. Juli – eine Illusion, wie sich zeigen sollte. Aus den Reihen pensionierter Generalstäbler wird stattdessen Kritik an einer fehlenden Strategie bei dieser Intervention laut, auch wegen eines überhandnehmenden militärischen Engagements weltweit. Frankreich hat in 20 Staaten – unter anderem in Kirgistan, im Kosovo und in der Elfenbeinküste – etwa 27.000 Soldaten stationiert, davon 12.500 für Kampfeinsätze. Das kostete 2010 rund 870 Millionen Euro, 2011 wird mit einer Milliarde gerechnet. Der Aufwand für vier Monate Luftkrieg gegen Muammar al-Gaddafi liegt bereits bei 120 Millionen Euro. Haushaltsexperten warnen davor, das Budget zu überfordern und die Überschuldung des Staates voranzutreiben. Verteidigungsminister Gérard Longuet appelliert denn auch an die Alliierten in der EU, sich mehr zu exponieren: „Ich denke an Staaten wie Spanien, Deutschland und Polen ...“ Man brauche Beistand, denn die Flugstunde eines Kampfjets vom Typ Rafale koste 40.000 Euro, eine einzige Hightech-Bombe zwischen 250.000 und 350.000 Euro.

Juppés diskrete Kanäle

Inzwischen hat die Armeeführung ihren einzigen Flugzeugträger Charles de Gaulle aus dem Operationsgebiet vor der libyschen Küste abgezogen und zur „Überholung“ nach Toulon geschickt. Dass es Betriebskosten von 50.000 Euro pro Einsatzstunde sind, die zu dieser Order bewogen, wollte Minister Longuet öffentlich nicht zugeben.

Ebenso stillschweigend wird das diplomatische Vorgehen geändert. Statt des vollmundigen Versprechens, Muammar al-Gaddafi zum „Schutz der Zivilbevölkerung zu beseitigen“, deutet Außenminister Alain Juppé plötzlich an, nicht nur mit dem Übergangsrat in Benghazi über „Einsatzziele“ zu verhandeln, sondern auch mit Tripolis in Kontakt zu stehen, um Modalitäten eines Machtverzichts für Gaddafi auszuhandeln. In der französischen Presse wird offen über diskrete Kanäle spekuliert, die Juppé persönlich unterhalte.

Sarkozy hat schnell erkannt, wie leicht das Wahlvolk mit markigen Worten mobilisierbar ist. Aber jetzt kommt das Wahljahr, und der Präsident muss Wählern und Steuerzahlern erklären, dass der Kriegseinsatz täglich etwa 1,2 Millionen Euro kostet, während das Schulsystem verrottet und es in der Banlieue rumort, weil die Vorstädte dramatisch verslumt sind. Das Ziel des Präsidenten, wenigstens die Neuverschuldung zu stoppen, ist längst illusorisch. Das Ende des Libyen-Abenteuers naht.

Rudolf Walther ist langjähriger Frankreich-Autor des Freitag

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