Leben in ständiger Verliebtheit – DDR

E- Im- Migration Die DDR war ein Land der Emigration. Wie denkt man hier über die Immigration aus Afrika und Osteuropa?

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Ich lebe an einem Ort, der vor nicht langer Zeit ein Staat war, aus dem Menschen eher weggingen als dass welche kamen. Darum stelle ich mal einige Verknüpfungen an, oder besser gesagt, ich liste Befindlichkeiten auf, die mir bei Menschen auffallen, die länger in der DDR gelebt haben als ich. Ich bin zu jung, um diese Befindlichkeiten verinnerlicht zu haben, aber alt genug, Empathie dafür entwickeln zu können. Generation Jana Hensel.

Aus den Flüchtlingsbooten am Mittelmeer sieht man meist junge, sportliche Männer an Land springen. So sehen doch keine Hungerflüchtlinge aus. Sagt A: „Wir sind doch auch dageblieben. Hätten ja abhauen können. Manche sind, kann ich nicht verstehen.“

Mal ehrlich, „wir“ können und konnten das durchaus verstehen, dass einige gerne in den Westen gegangen sind. Wie wurden sie dort aufgenommen? Ich weiß es nicht wirklich. Ich denke aber, sehr feindselig war es nicht, eher freundlich. Als die Mauer fiel und es mancherorts eine Ossi-Schwemme gab, wurde es anders. Und warum sieht man so sportliche Typen in den Booten? Erstens, was man sieht ist nicht alles. Zweitens kostet Migration Geld, deshalb kommen gerade nicht vorrangig die ganz Armen übers Mittelmeer.

Sagt A:„Und dann kommen sie zurück und wollen ihr Haus wiederhaben.“ – Ja, da kann wirklich sauer sein (wenn der Wiederkehrende denn freiwillig gegangen war). Will ich Staatsbürger sein mit Vor- und Nachteilen oder Weltbürger, Flüchtling. Wenn ich mich entscheide, mein Bürgertum aufzugeben, dann ist es frech, später wiederzukommen und ehemalige Rechte dazu haben zu wollen. Das unwiderrufliche Aufgeben bestehender Rechte bei Weggang hat Menschen wie A maßgeblich hier gehalten. Außerdem natürlich die konkreten Gefahren der Reise.

Und doch, sagt A auch: „War schon eine geile Zeit, kurz nach der Wende.“ Es war inspirierend, voller Hoffnung, in Bewegung, lebendig. „Ja, ich wollte es auch, aber soo eigentlich nicht.“

Und sind erst die Wessis gekommen um ganz groß zu nehmen, dann die Ex-Ossis, um ein bisschen zu nehmen, und nun kommen die gleiche Art Leute, die früher abgehauen sind.

Dann noch: „Wenn Russen kommen, das mag ja noch gehen“. Klar, ein Zusammenleben, dass man schon mal hingekriegt hat, davor hat man keine Angst.

Wir als Ossis empfehlen den Migranten: Bleibt zu hause. Ihr gebt zuviel auf. Hier wartet nichts auf euch, außer Kapitalismus. Es lebt sich viel schöner, wenn man ewig vom goldenen Westen träumt, mit seinen Waschmitteldüften, Kaffeearomen und schnellen Autos. Wenn man es dann hat – öde. Wenn es zur Vereinigung mit dem Traumbild kommt, ist es eine kurze Wonne, aber dann geht es nur noch bergab. Seid schlauer, bleibt Ossis!

P.S. Wer mir vorhalten möchte, dass ich das „wir“ zu undifferenziert einsetze, dem gebe ich Recht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Dersu Usala

Gefangen im Bewusstsein des Unlösbaren, zu lösen nur durch Lösen vom Bewusstsein.

Dersu Usala

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