Irgendwie dauernd mit links

Weltlinkshändertag Linkshänder bekommen einmal im Jahr die Möglichkeit, irgendwie linkshändig im Mittelpunkt zu stehen - ganz theoretisch. Heute, am 13. August. Merkt aber kaum einer.

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Mein eigenes „linkes Handicap“ wurde im zarten Alter von 5 Jahren entdeckt. Damals mit der Einschulung ein großes Problem, weil es noch üblich war, auf rechts umzuschulen. Ich hatte das große Glück, eine junge engagierte Lehrerin zu erwischen, die erstmals den Versuch wagen wollte, mich so zu lassen, wie ich wollte und vor allem konnte. Sie drückte mir einen Bleistift in die Hand – Füller, Tinte, verschmieren, ständig mit dem Handballen über das Geschriebene zu wischen – schwierig. Mit der Grundschullehrerin und dem Bleistift hörte das Verständnis dann auf. Bei der Handarbeitslehrerin biss ich auf Granit, sie nahm mir konsequent die Nähnadel aus der linken Hand, klopfte mir auf die Finger und drückte mir die diversen Gerätschaften in die rechte Hand. Kaum hatte sie sich aber weggedreht, rächte ich mich schrecklich, die Nadel war wieder links. Musikinstrumente lernen, Gitarre, Geige: schwierig.

Später taten sich weitere Hürden auf. Der Kartoffelschäler, das unbrauchbare Ding. Dosenöffner wie Korkenzieher teilweise nur mit Verrenkungen und unnatürlichen Bewegungen benutzbar. Scheren: die Fingeröffnungen falsch herum, die Schneidefläche ebenso. Noch später, Karteikästen auf der rechten Schreibtischhälfte festgeschraubt, nach mehreren Stunden schrägem Greifen tat der Rücken weh. Der Zahlenblock an der handelsüblichen PC-Tastatur unbenutzbar. In der Bank der rechts festgebundene Kugelschreiber, die Schnur zu kurz.

Eine Umhängetasche, bei der vorne im Trageriemen eine Handytasche eingearbeitet ist. Praktisch, dachte ich mir, aber warum baumelt die Handytasche bei mir am Rücken? Ich wunderte mich lange, drehte und wendete das Ding, bis mir auffiel: Linkshänder tragen auch Taschen meist links, Rechtshänder normalerweise rechts. Auch Taschen werden für Rechtshänder designt, damit ist für sie die Handytasche vorne, wo sie hingehört. Linkshänder haben Pech und sich mit so einem Ding verkauft. Also weg mit der Tasche!

Noch schlimmer mein derzeitiges Handy. Der Auslöser für die Kamera ist an einer Stelle, die für Rechtshänder kein Problem darstellt. Als Linkshänder/ -telefonierer kommt man fast automatisch auf den Auslöser, ist telefonieren untrennbar mit Fotografien der linken Haarsträhne verbunden. Und auch meist noch verwackelt!

Natürlich wird heute vieles leichter, in größeren Städten gibt es Linkshänderläden, in vielen Schreibwarenläden Füller und sonstiges Zubehör für „Linke“. Aber längst nicht jedes Modell...Andererseits hörte ich neulich eine ältere Dame zu einem Kind, das ihr die linke Hand zur Begrüßung reichte, sagen: „Nein, ich will die schöne Hand, das da ist die Teufelshand“...

Und so beglückwünsche ich heute an „unserem Tag“ solidarisch alle „LeidensgenossInnen“ und wünsche uns, dass noch viel mehr Utensilien für uns umgebaut werden. Nicht wir ticken falsch, die Gerätschaften sind es. Einen Trost haben wir: viele von uns können Spiegelschrift schreiben. Und wer kann das schon als Rechtshänder von sich behaupten...

„Es ist traurig, eine Ausnahme zu sein. Aber noch trauriger ist es, keine zu sein.“ - Peter Altenberg

My credits an hardob und die BloggerInnen und KommentatorInnen in „Gesellschaftsspiele“ und „Kotau ermitteln“
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Geschrieben von

Diander

Jeder macht, was er will, keiner macht, was er soll, aber alle machen mit!

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