Ein Albtraum namens Wulff

Wulff Buch Herr Wulff sieht sich ganz unten angekommen. Sein Buch ist eine Hommage an den Steuerzahler, der ihm seinen Ehrensold finanziert. Ein Ex-Präsident fernab der Vernunft.

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Dass die Familie Wulff in Sachen Schamgefühl ein dickes Fell hat, ist bekannt. Bettina Wulff glaubte sich mit ihrer Veröffentlichung "Jenseits des Protokolls" ins richtige Licht rücken zu können. Es schien so, als würde eine Frau glauben, ihre eigenen Leser wären intellektuell nicht in der Lage zu bemerken, dass hier jemand versucht das sinkende Schiff mit möglichst viel Glamour und Medienpräsenz zu verlassen. Nach mir die Sintflut. Der Schuss ging leider nach hinten los. Sie blamierte nicht nur sich, sondern ihren Ehemann gleich mit. Christliche Nächstenliebe neu interpretiert. Der Schaulauf um das höchste Amt im Land wandelte sich zu einem Rosenkrieg auf Talkshow Niveau. Nach dem Freispruch des ehemaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen glaubte man, es sei alles gesagt. Weit gefehlt. Der Fall Wulff ist der immer wiederkehrende Albtraum unserer bundesrepublikanischen Gegenwart und das Buch „Ganz oben ganz unten“ hoffentlich Teil der Aufwachphase.

Die Philosophie von Bild ist allen bekannt. Wer mit dem Axel Springer Aufzug rauffährt, den begleitet selbiger auch wieder herunter. Um diesem Schicksal zu entkommen braucht es schon Fähigkeiten wie die des Karl Theodor zu Guttenberg, dem das auflagenstarke Boulevardblatt anscheinend einen Freibrief ausgestellt hat. Der damalige Bundespräsident hatte diese Fähigkeiten nicht und konnte nicht verhindern, dass Bild im Hinblick auf eine mögliche Vorteilsnahme recherchiert. Der Anruf bei Kai Diekmann wirkte wie eine infantile Verzweiflungstat und sorgte im Chefsessel des Verlegers vermutlich eher für Heiterkeit. Die Suche nach einem Antagonisten war also schnell beendet. Wulff beschreibt in seiner neusten Veröffentlichung eine mediale Hetzjagd gegen seine Person und kommt zu dem Entschluss, dass sein Rücktritt am 17. Februar 2012 ein Fehler gewesen sei. Da hat jemand nicht verstanden, dass die moralische Anforderung an einen Bundespräsidenten in keinem Gesetz im Schrank des Rechtsanwaltes zu finden ist. Das Volk verlangt nach einem Vorbild, das die eigenen Interessen für das Gemeinwohl zurückstellt. "Erst kommt das Fressen, dann die Moral",hat Bertolt Brecht mal geschrieben. Doch gerade Politiker dürfen dieser Weisheit nicht entsprechen, denn kommt der Anschein auf, dass es vorrangig um die eigenen Vorteile geht, hängt einem die Unglaubwürdigkeit wie ein Mühlstein um den Hals. Peer Steinbrück hat dieser Fehler das Kanzleramt gekostet. Was niemand versteht ist, wieso und weshalb sich Christian Wulff nach Ausscheiden aus dem Amt „ganz unten“ angekommen sieht. Anscheinend verliert man im Schloß Bellevue schnell den Bezug zur Lebensrealität und eine Kanzlei in einem Hamburger Nobelviertel diffamiert einen als globale Unterschicht.

Den rechtlichen Beweis seiner Unschuld hat ein Gericht in Hannover geliefert, den moralischen Fehltritt müsste er eigentlich auf sich nehmen. Das sieht er offensichtlich anders. Sein neu erschienenes Werk beleidigt den Steuerzahler, der ihm einen hohen Lebensstandard finanziert, und ist Ausdruck der Unvernunft eines Mannes, der sich geschickt in ein Amt und eine Würde gedrängt hat, die ihm nicht zustanden. Die Akte Wulff darf gerne geschlossen werden.

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Geschrieben von

Dorian Baganz

Redakteur „Politik“, „Wirtschaft“, „Grünes Wissen“

Dorian Baganz, geboren 1993 in Duisburg, studierte Politik und Geschichte in London, Berlin sowie in Oslo. 2019 war er als Lokalreporter für die Süddeutsche Zeitung im Umland von München tätig. Seit 2022 ist er Redakteur beim Freitag und schreibt dort vornehmlich über Klimathemen und soziale Umbrüche. Gemeinsam mit Pepe Egger baute er ab 2022 das Nachhaltigkeitsressort „Grünes Wissen“ auf. Dort veröffentlicht er längere Reportagen, u.a. über geplante Gasbohrungen vor Borkum oder ein Wasserstoffprojekt in der Nordsee.

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