Darf's ein wenig mehr sein?

Bildungssponsoring Wo hört Bildung auf, wo fängt PR an? Auch in Kinderbüchern verwischen die Grenzen.

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Seit Dekaden gibt es Pixi-Bücher. Seitdem trotten Bärchen und Mäuse durch diese kleinen quadratischen Kinderbücher und erklären das soziale Miteinander. Etwas größere Kinder erfahren in Pixi-Büchern für etwas größere Kinder, was passiert, wenn der Zahn wackelt und warum das neue Geschwisterchen nicht unbedingt ein Nachteil sein muss. So weit so gut.

Bis ich letztens in einem Pixi-Buch auf Jürgen den Fleischermeister gestoßen bin. Ein kleiner Junge ist mit einem Fleischermeister befreundet und darf seinen Betrieb besichtigen. Bereits auf Seite drei kommt es mir vor, als hielte ich ein PR-Magazin der Fleischverarbeitenden Industrie in den Händen. Ich erfahre in Kindersprache, dass die Fleischereifachverkäuferin auch Ernährungsberaterin ist und dass Jürgen neben einem Catering-Service auch mit einem Angebot aus Käse, Gewürzen und Wein erfolgreich Cross-Selling betreibt.

Die Produktionsräume sind sauber und die Frau von der Lebensmittelkontrolle gründlich. Würstchen werden aus einem Teig gemacht, der Kuchenteig ähnelt. Nur woher der Teig kommt, wird relativ schnell abgehandelt. „Von Bauer Bode aus dem Nachbardorf.“ erklärt der Fleischermeister, während er noch schnell auf ein Bild mit Bauer und glücklicher Kuh zeigt. Nachdem Jürgen Pokale und Wurst-Auszeichnungen präsentiert und der kleine Junge die obligatorische Wurst geschenkt bekommen hat, ist die Geschichte zu Ende. Und fast übersieht man die letzte Seite, die neben einem roten Logo auch der Hinweis ziert: Sonderausgabe für das Fleischerhandwerk. Verantwortlich für diese Imagekampagne ist eine Hamburger Marketing-Agentur, die das Interesse der Kinder am Fleischerhandwerk schüren möchte.

Was daran verwerflich ist, sollte man meinen. Es geht ja nur um das Fleischerhandwerk und nicht um propagierende Kinderliteratur der Atomlobby. Bildungssponsoring liegt im Trend. Volvic sponsert Unterrichtsmaterial und zum Mc Donalds Happy Meal wird gratis ein „Was ist Was“ Buch über Bauerhöfe serviert. Bauernhöfe, die sicherlich nichts mit den Mc Donalds Kühen zu tun haben, aber ungemein gut fürs Image sind.

Pixi-Bücher vom Hamburger Carlsen Verlag kosten nur 0,95 €. Aber sie kosten. Und auf diese Weise indoktrinieren? Neben dem Wurst-Pixi-Buch wartet eine Vielzahl anderer „Sondereditionen“ auf die Konsumenten von morgen. So leisten sich auch die Volksbank, die Deutsche Bahn und Condor den Luxus einer Pixi-Sonderedition. Es ist bestimmt nur eine Frage der Zeit, bis die Bundeswehr mit dem Pixi-Buch „Mein Freund muss nach Afghanistan“ oder der Ring Deutscher Makler mit der Ausgabe „Mein Freund der Miet-Hai“ aufwartet.

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