Eine Bastion der

Krebsvorsorge, vor wenigen Jahren noch, war die Mammographie. Sie ist ins Zwielicht geraten. Die Vorwürfe lauten: Überdiagnostik, d.h. Diagnose eines Krebsverdachts, obgleich kein

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Krebs vorhanden ist, folglich eine deutliche Zahl unnötiger Operationen. Ähnliches gilt für Prostata-Befunde und -operationen.

Das geht bei uns durch die Medien, so anklagender oder, vielleicht besser, lamentierender Grundton wie ein Wind, der mal das Herbstlaub wendet, und das war's dann aber auch. Der nächste Wind kommt unter anderem Namen daher.

Hab' ich jemanden darauf hinweisen hören, daß da eine Korrektur erforderlich sei? Daß man Mängel der Screening-Verfahren beheben wolle? Kein Wort. Oder daß es wenigstens peinlich sei? Nichts. So arbeitet unser Mainstream, ein folgenloses Palaver, und die Damen und Herren stehen strahlend am Krankenbett.

Gesundheitsindustrie. Ingenieure. Automaten.

Aufschlußreich wäre, zu überlegen, was die seriellen Untersuchungsverfahren mit den Menschen anrichten, die diesen Abläufen ausgeliefert sind. Man sollte pietätlos fragen, weshalb Erich Loest aus dem Fenster sprang. Das wäre außerdem die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer hochtechnologischen, hochprofitablen Gesundheitsindustrie. Wobei, damit ist die Frage auch beantwortet: wirft reichlich Kohle ab.

Doch was erträgt der Mensch, der sich in dieses Procedere begibt, der nach erfolgter Operation entlassen wird? Ist er gesund? Wie ist das, so auf der Schwelle leben? Halbjährlich zur Nachuntersuchung erscheinen, mindestens. Hält man das durch? Wie lange?

Ich weiß, ich weiß. Jeder entscheidet das selbst. Im Zweifel gibt es sogar eine Patientenverfügung.

Und was fangen wir mit Folgendem an: In Indien schluckt ein Selbstmörder ein Backofenreinigungsmittel, Speiseröhre verätzt, tödlich. Oh! Eine willkommene Gelegenheit, die technologische Neuentwicklung zu testen, an der jahrelang gearbeitet wurde, nun muß man sich sputen. Erfolg. Der Mann wacht mit einer synthetischen Speiseröhre auf (mitgeteilt im alldienstäglichen Wir-sind-krank-Talk des DLF am 17.09.).

Was sagen wir dazu? Wir sagen: Herzlichen Glückwunsch. Und zu wem sagen wir das?

Es ist ein merkwürdiger Grenzbereich zwischen Leben und Tod. Eine der wenigen Regionen, in denen heutzutage das Geld auf der Straße liegt.

Selbstverständlich gibt's die Leute, die sofort fragen: Ja, was willst denn du? Klar. Logisch.

Nein, ist nicht meine Frage. Mir ginge es darum, das Elend offenzulegen, den Schindluder, den eine habgierige, gewissenlose Gesundheitsindustrie mit Sterbenden treibt. Laßt einmal fragen, was denn abläuft, während jemand auf die Krebsdiagnose wartet und wie durch eine solche Zwangslage sich Persönlichkeit verändert, angegriffen, gebrochen wird. Egal, ob positiver, ob negativer Befund.

Nein? Gar nicht wahr? Sondern: dem Tod ein halbes Jahr abgerungen und das halbe Jahr doppelt gelebt? Das kommt aus der Rubrik: zu schön, um wahr zu sein. Im übrigen ist das eine Denkweise, die das Leben als einen Kampf definiert. Klar, da muß dann gewaltig technologisch aufgerüstet werden, um Kampf zu gewinnen bzw. Frist zu verlängern. Völlig daneben.

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Geschrieben von

Dreizehn

Lebe in einem Winkel der Stadt, lese, schreibe gelegentlich.

Dreizehn

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