Die Majestät des Rechts

Diskriminierung Wenn das Pfeifen auf der Straße zur Straftat wird. Eine Entgegnung zu Juliane Löfflers „Mit Recht gegen Sexismus“

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Als jemand, der das zweifelhafte Vergnügen hatte, Recht als lege lata zu lernen und nicht nur in all seiner Trockenheit anzuwenden, bin ich regelrecht erschrocken, in -> „Mit Recht gegen Sexismus“ diesen Satz von -> Juliane Löffler zu lesen: „Dass das rechtliche Ideal, das Frauen (und gelegentlich auch Männer) vor Sexismus schützen soll, der Wirklichkeit weit hinterherhinkt, steht außer Frage.“ Denn er stellt die Wirklichkeit auf den Kopf.

„Recht“ als „Ideal“ ist nicht nur der historisierende Bezug auf ein unvordenkliches China (so etwa die WikipediA :dt) oder etwaige religiöse Implikationen (ebenda, :it) – es klingt jene ganz üble „Majestät des Rechts“ an, die von Treitschke schrieb ("Unsere Aussichten") und die bei freitag.de etwa Blogger wwalkie in -> „Argumente, die nicht vergehen wollen“ angesprochen hat.

Den Brückenschlag zu jenem -> „unseren Unglück“ bildet ausgerechnet das von Löffler zitierte Filmchen der Studentin Sofie Peeters, bei dem die Frage gestellt werden darf, wer da tatsächlich diskriminiert wird: Peeters selbst als Chiffre der verfolgten Weiblichkeit oder die von ihr konkret Dargestellten, überwiegend Männer mit dem, was man hierzulande als „mit Migrationshintergrund“ bezeichnet. Das nunmehrige Gesetz als Versuch zu kennzeichnen, in Belgien dem Vlaams Belang wieder ein paar Stimmen zugunsten des Zentrums abzujagen, wäre noch untertrieben.

Tatsächlich erinnert das Befremden an eine Zurschaustellung der Ressentiments kühler Blonden aus dem hohen Norden, wenn sie sich auf der Suche nach Bildung in den Süden begeben haben. Sie wurden unweigerlich mit dem Lokalkolorit konfrontiert – die mehr oder weniger lauten wie unzweideutigen Würdigungen jener physischen Attraktoren, von denen schon ein Ovid zu berichten wusste. Sollte man aus diesem kulturellen Unverständnis zwischen dem Frollein teutonischer Herkunft und dem Latin Lover, der einen anerkennenden Pfeifton von sich gibt, ein Gericht bemühen?

Aber wir sind nicht Belgien, nicht einmal eine Monarchie und daher die Möglichkeit, sich zu verhalten, noch nicht vollständig unter dem Gesichtspunkt der Verfolgbarkeit angekommen. Denn Gesetze, vor allem die punitiven, machen auch die Interaktion und damit das Soziale am Verhalten einschließlich der autonomen Grenzfindungen unmöglich.

Was aber als „ultima ratio“ zu gelten hätte, wird unter dieser legalistischen Betrachtungsweise zum normativen Primat. Und damit zum Türöffner, jeden Bereich auch der Privat- und/oder Intimsphäre zu einer staatlichen Angelegenheit zu machen. Totalitärer geht es kaum: Ist das gewollt?

Es ist aber auch, und das schreibe ich völlig unverblümt hin, ein Zeichen einer Bequemlichkeit, sich nicht mit sozialer Interaktion befassen zu müssen, die sich zwangsläufig aus Völkerbegegnung wie der der Migration ergibt. "Sexismus" selbst wird so zu einer beliebig dehnbaren Allzweckwaffe. Aus derlei Zeilen tropft dann sogar die Sehnsucht nach einer strafbewehrten „Artigkeit“ heraus, dass einem Sehen und Hören vergeht – es ist der „Knigge“, ohnehin als Benimm-Werk missverstanden, der das Soziale mit Acht und Bann überspringt und gleich zum Gefängnis führt.

Sollte Juliane Löffler ihren Artikel als Provokation intendiert haben, darf gesagt werden: Das ist ihr in aller Misanthropie eines weiblichen Sarrazin gelungen. e²m

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Geschrieben von

ed2murrow

e2m aka Marian Schraube "zurück zu den wurzeln", sagte das trüffelschwein, bevor es den schuss hörte

ed2murrow

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