Scheiß Thema

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So wie Geld, Aktien und Wertpapiere auf eine hinreichend große, gläubige Gemeinde zurückgreifen müssen, ist auch „der Staat“ eine Frage der religiösen Überzeugung.

Scheinbar unangreifbar haben sich phantasievolle Vorstellungen von Nutzen, Vorteilen und Dienstleistungen bestehender staatlicher Einrichtungen, in menschliche Hirne eingebrannt.

Der durchschnittliche Gläubige klammert sich, scheinbar unerschütterlich, an die Überzeugung vom sinnvollen Umgang der Institutionen mit menschlichen Ressourcen wie Arbeitskraft und Geld.

Weder einstürzend Stadtarchive, noch Bauruinen von Flughäfen oder Nürburgringen, Opern oder Spaßbädern, noch Kriege am Hindukusch oder wo auch immer, erweitern den Horizont der bisweilen zum Fanatismus neigenden gläubigen Gemeinde.

Eine Entschuldbarkeit ihres desolaten geistigen Zustandes wäre am ehesten aus ihrer beständigen Berieselung mit Erfolgsmeldungen von der Effektivität staatlichen Handelns abzuleiten. Dabei ist die Qualität der Demagogen oft von auffällig bescheidener Qualität: der Horrortrip des Gläubigen durch blühende Landschaften führt ihn zur Anpassung an den Weltmarkt, vorbei an funktionierenden Gesundheits- und Rentensystemen bis in die Vorhölle von Altenpflegeheimen. Ein Zugewinn, wenigstens an Erkenntnis, ist nicht erkennbar.

Schade, eigentlich.

Darum, hier und an dieser Stelle, also mein Bericht zum institutionellen Umgang mit meiner Scheiße und wie damit Geld verdient (?), oder auf jeden Fall daraus gemacht wird:

Seit vielen Jahren bevorzuge ich eine, etwas abseitige Wohnlage die einen Kanalanschluss ausschließt. Zu Beginn meiner zunächsteher siedlerischen Wohnsituation pumpte ich die Rückstände meiner Nahrungsaufnahme im Handbetrieb, aus einer eher notdürftigen Zisterne, in ein Fass und brachte dessen Inhalt auf Wiesen und Feldern aus. Da diese der Ernährung meiner Tiere dienten, die wiederum ich zu verzehren gedachte, hatte ich ein nahezu vitales Interesse daran keine allzu schädlichen Substanzen in der Zisterne landen zu lassen. Die Notdürftige wurde bald durch eine Dreikammer Klärgrube ersetzt, ein Bauer übernahm die preiswerte Ausfuhr mit landwirtschaftlicher Gerätschaft.

Dank gesetzgeberischer Tätigkeit war dieser preiswerte und praktische Ablauf dann bald nicht mehr „zulässig“. Eine Verbandsgemeindeverwaltung übernahm pflichtgemäß die Organisation der Abfuhr meiner Exkremente. Diese beauftragte einen spezialisierten Unternehmer, der verschaffte meinem ehemaligen Essen eine weite Tour durch unsere schöne Landschaft: nun war eine Kläranlage zu beliefern.

Meine Abfuhrkosten vervielfachten sich, aber so sei es nun ökologisch unbedenklich - wurde behauptet. Der, in der Kläranlage, anfallende Klärschlamm wurde nun in hochkonzentrierter Form auf Äcker ausgebracht. Die dienten nun der direkten menschlichen Versorgung mit Nahrungsmitteln. Die Bauern nehmen das dafür gezahlte Entgelt gern entgegen.

Sinnvoll vielleicht, aber für wen?

Nach einigen Jahren, in denen ich für die Ausfuhr der Grube pünktlichst bezahlt hatte, kam es in meinem, dann schon recht umfänglichen, Abwassersystem zum Stau. Die Staubeseitung brachte mich in tagelangen, engsten Kontakt mit ehemaligen Nahrungsmitteln, verbunden mit dementsprechenden Geruch und dazugehörender Stimmungslage. Die Ursache der Misslichkeit war, an einer randvollen, jahrelang nicht entleerten Grube eindeutig ablesbar. Die Verbandsgemeindeverwaltung hatte den Unternehmer für Entleerungen bezahlt die nie stattgefunden hatten. Die Verwaltung bevorzugte zu dieser Misslichkeit eine für sie günstigere, eher mystische Sichtweise, allerdings zu meinen Lasten.

Aktuell ist meine Scheiße nun gerade wieder einer neuen Gesetzgebung unterworfen. Die EU hat sich mit ihr, schon im Jahr 2000 - nun wird es sehr eilig. Viele Köche rührten im Braunen Brei. Die hiesige Verbandsgemeindeverwaltung hat nun, zur zügigen Umsetzung der EU Verordnung aus dem Jahr 2000, „Landesmittel“ angezapft, eine „Ausschreibung“ veranstaltet und nun ist es endlich soweit: meine Exkremente kommen in den Genuss einer hochgradig technischen „biologischen Klärung“, verbunden mit nur ganz geringem Verbrauch an elektrischer Energie. Der Auslauf muss auch nur zweimal jährlich, für jeweils 90 Euros, von Hochbezahltem Fachpersonal auf Unbedenklichkeit überprüft werden, eine Ausfuhr der Grube, durch eine Fachfirma, ist weiterhin notwendig.

Die Anlage verfügt sogar über eine F e r n ü b e r w a c h u n g die technische Fehler in eine Zentrale meldet.

Das alles soll ökologisch, überhaupt total unbedenklich und von feinster Qualität sein.

Darauf spendiert der Hersteller eine Garantie von 2 Jahren.

Der dafür zu zahlende kleine „Eigenanteil“, 50 Prozent „Landeszuschuss“ kommen dazu, beträgt „voraussichtlich“ lächerliche 6100 Euros. Das Wort „voraussichtlich“ bereitet mir schon jetzt Sorgen.

Erstaunlicherweise sind vergleichbare Anlagen, ohne Ausschreibung und Fernüberwachung, für 3100 Euros plus ca. 1000 Euro Einbau, im Fachhandeln zu beziehen.

Dem schelmischen Leser mangelt es sicherlich nicht an der Fantasie zu einer Betrachtungsweise jenseits der amtlichen Darstellung zu den Kosten?

Wenn doch, sollte er Ärzte und Apotheker seines Vertrauens bemühen, zwecks eingehender Untersuchung und notwendiger medikamentöser Einstellung.

Beachten sollte er jedoch:

leider kennen sich die benannten Berufe ebenfalls mit der Vergabe der Lizenzen zum Gelddrucken gut aus und teilen brüderlich.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

fahrwax

Lieber auf dem Wagen, als unter den Rädern.... Bekennender, autonomer Pferdeknecht

fahrwax

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