Abschied von der Friedenspartei

Linke Fünf Abgeordnete haben dafür gestimmt, dass die Bundeswehr die Chemiewaffen-Vernichtung absichern soll. Damit verstößt die Linkspartei eindeutig gegen ihr Wahlprogramm
Achtung, Parteispaltung!
Achtung, Parteispaltung!

Foto: Imago / Christian Mang

Grafisch war die Linkspartei-Werbung super: Eine große weiße Null auf knallrotem Hintergrund, dazu ein kleines Sternchen. Unten ist erklärt: „Anzahl der Auslandseinsätze der Bundeswehr, denen DIE LINKE und zuvor die PDS im Bundestag ihre Ja-Stimme gaben.“ Diese Werbung ist seit gestern hinfällig. Fünf Abgeordnete haben dafür gestimmt, dass die Bundeswehr ein US-Schiff zur Vernichtung syrischer Chemiewaffen absichert. Die Linke hat sich damit von ihrer klaren pazifistischen Position verabschiedet. Sie hat ihr Wahlversprechen gebrochen und zugleich ihr wohl wichtigstes Alleinstellungsmerkmal aufgegeben.

Nun ist der konkret beschlossene Einsatz sicherlich kein Krieg. Trotzdem war es eine historische Entscheidung: Der Bundestag hat die letzte Friedenspartei verloren. Nachzulesen im Wahlprogramm 2013: "DIE LINKE ist die Friedenspartei. Wir haben als einzige Fraktion und Partei im Bundestag den Auslandseinsätzen der Bundeswehr nicht zugestimmt und werden es auch in Zukunft nicht tun."

Man kann über den Sinn und Unsinn der beschlossenen Militäraktion streiten. Unstrittig dürfte jedoch sein, dass die fünf Ja-Sager gegen das Wahlprogramm verstoßen haben. Nur wird darüber fast gar nicht berichtet. Als sei das eine Lappalie. Unwichtig, wenn es um eine einheitliche Position des Deutschen Bundestags gehe.

Keine Gewissensentscheidung

Ein Wahlprogramm kann natürlich nicht alle Entscheidungen im Bundestag vorwegnehmen. Es gibt aktuelle Entwicklungen, auf die reagiert werden muss. Die Abgeordneten müssen dann Argumente und Werte abwägen und sich dabei am Programm orientieren. Es gibt aber auch einige wenige Fälle, in denen das Wahlprogramm ganz eindeutig ein bestimmtes Votum verlangt. Die Abstimmung über Auslandseinsätze der Bundeswehr gehört dazu.

Nun meinen manche Politiker, die Abstimmung über Militäreinsätze sei eine Gewissensentscheidung, die jeder Abgeordnete individuell für sich treffen müsse. Das ist aber falsch. Rein rechtlich betrachtet gibt es zwar keinen Fraktionszwang. Die Mitglieder des Bundestags sind nur ihrem Gewissen verpflichtet. Praktisch sieht es aber anders aus. Und es gibt keinen inhaltlichen Grund, weshalb die Fraktionen über die fehlenden Gelder für Entwicklungszusammenarbeit einheitlich abstimmen sollten, über Militäreinsätze aber nicht. In beiden Fällen geht es um Leben und Tod. Übrigens auch bei der Gesundheitspolitik in Deutschland und vielen anderen Themen.

Der Wähler muss erkennen können, wofür eine Partei steht. Dafür gibt es ein Wahlprogramm. Wenn sich hinterher niemand daran hält, wird der Wähler betrogen und die Demokratie leidet. Wenn die Linke in Ausnahmefällen auch Militäreinsätzen im Ausland zustimmen will, dann muss sie ihr Programm anders formulieren.

Kein vorauseilender Gehorsam

Wer die Passage genau liest, merkt übrigens: Eine Enthaltung der Linken ist durch das Wahlprogramm gedeckt, sie darf nur nicht zustimmen. Insofern waren die Bemühungen von Gregor Gysi gar nicht so verkehrt. Er hatte dafür plädiert, dass sich die Fraktion geschlossen enthält. Nur: Die Berichterstattung der Medien war ziemlich verquer. Es hieß, Gysi habe nicht verhindern können, dass die Parteilinken mit Nein stimmen wollen. Korrekt wäre gewesen: Gysi hat nicht verhindern können, dass die Parteirechten mit Ja stimmen wollen und damit gegen das Wahlprogramm verstoßen.

Wie geht es nun weiter mit Rot-Rot-Grün? Wer meint, dass sich die Linke den Weg zu einem solchen Regierungsbündnis nicht verbauen dürfe und deshalb dem Bundeswehr-Einsatz zustimmen müsse, ist offenbar für einen rein instrumentellen Umgang mit der fundamentalen Frage nach Auslandseinsätzen.

Übrigens wurde gestern im Bundestag auch nicht darüber abgestimmt, ob die Linkspartei in einem rot-rot-grünen Bündnis zu Kompromissen bereit wäre. Das muss sie vielleicht in dreieinhalb Jahren klären. Derzeit hat sie keine Verpflichtungen. Sie sollte auf ihr Wahlprogramm achten und keinen vorauseilenden Gehorsam üben.

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