War da nich was? Der Überwachungsskandal um den US-Geheimdienst NSA verschwindet langsam, aber sicher aus den Medien. Am vergangenen Wochenende haben nochmal tausende besorgte Bürger demonstriert, seitdem wird es ruhig. Wäre der NSA-Skandal denn ein geeignetes Wahlkampfthema?
Jein. Die Größenordnung der mitgelesenen Kommunikation unschuldiger Bürger würde einen Streit der Parteien auf jeden Fall rechtfertigen. Hinzu kommt, dass der Bundesnachrichtendienst dem Kanzleramt unterstellt ist und nicht etwa – wie oft fälschlicherweise angenommen wird – dem Innenministerium. Die Opposition könnte also direkt die Bundeskanzlerin angreifen. Peer Steinbrück hat es per Bild am Sonntag ja auch schon versucht, als er ihr vorwarf, den Amtseid gebrochen zu haben.
Trotzdem, man ahnt schon, dass diese Rechnung nicht aufgehen wird. Geheimdienste arbeiten im Verborgenen, die Öffentlichkeit erfährt von den Praktiken praktisch nichts. Wie soll so die Arbeit der Regierung skandalisiert werden? Irgendwann wird das Band immer neuer Enthüllungen abreißen, die Überwachungsproblematik in den Zeitungen auf die hinteren Seiten wandern und dort verschwinden. Diese Entwicklung ist schon jetzt erkennbar.
Eine Opposition, die nicht kritisieren darf
Das Problem sind die Geheimdienste an sich. Sie lassen sich nicht demokratisch kontrollieren. Die elf Abgeordneten im Parlamentarischen Kontrollgremium tagen geheim und dürfen der Öffentlichkeit nichts sagen. Bei Missständen und Skandalen sind sie somit machtlos. Eine Opposition, die nicht kritisieren darf, weil ihr der Mund verboten wird – eine absurde Vorstellung? Bei Geheimdiensten ist das Standard.
Oder nehmen wir die Rechtfertigung der USA für die Massenüberwachung, die Friedrich nachplapperte und als „edlen Zweck“ bezeichnete: 45 Anschläge sollen durch Informationen der NSA verhindert worden sein, fünf davon hier. Belege? Gibt es nicht. Alles geheim.
Im Sinne der Verfassung
Die Abschaffung der Geheimdienste ist, zumindest bei den Parteien, keine sehr populäre Forderung, nur die Linkspartei bekennt sich dazu. Alle anderen haben Angst, die Polizei könnte die Aufgaben der Geheimdienste übernehmen und es entstehe eine neue Gestapo. Dabei muss klar sein: Wenn es einen Verdacht auf kriminelles Verhalten gibt, ermittelt die Polizei. Die anlasslose Gesinnungsschnüffelei der Geheimdienste wird ersatzlos gestrichen. Das ist im Sinne der Demokratie und der Verfassung.
Ein Untersuchungsausschuss zu den NSA-Praktiken könnte ein erster Schritt zu einem kritischeren Umgang mit Geheimdiensten sein, auch wenn unklar ist, wieviel Geheimes er zutage befördert – zumal SPD und Grüne möglicherweise versuchen werden, kritische Fragen zu BND-Praktiken während ihrer Regierungszeit abzuwehren. Für den aktuellen Wahlkampf eignet sich so ein Ausschuss aber nicht, weil die Arbeit erst in der kommenden Legislatur beginnen soll. Gerade deswegen ist die Forderung nach diesem Gremium den Politikern hoch anzurechnen.
Und die Piraten? Haben ihre letzte Chance. Wenn sie es jetzt mit Hilfe der NSA-Affäre nicht schaffen, in den Umfragen über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen, wird es danach auch nichts mehr.
Dieser Artikel erschien ursprünglich in Ausgabe 29/13 vom 18.07.2013. Der Einstieg wurde aktualisiert
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