Bombige Aktion

Piratenpartei Hat eine Piratin die Opfer des Bombenangriffs auf Dresden im Nazi-Deutschland verhöhnt? Die Basis will diskutieren, aber die IT-Experten der Partei zensieren das Internet

Wie war das nochmal mit dem Internet als Infrastruktur, die allen zugänglich sein soll? Sind die Piraten nicht dafür? Jetzt haben die Technik-Administratoren der Partei offenbar das Wiki als Teil der Internetseite, interne Mailinglisten und andere Diskussionsplattformen abgeschaltet. Sie selbst bezeichnen es als „Warnstreik“, das klingt nach Arbeitskampf und Solidarität. Man könnte jedoch auch sagen: Zensur.

Wie kam es dazu? Grund für das Abschalten ist die heftige und mitunter sehr emotionale Diskussion unter dem Stichwort „Bomber-Gate“. Es geht um eine Aktion im Femen-Stil, an der die Piratin Anne Helm beteiligt sein soll. In Dresden haben zwei Frauen demonstriert, vermummt und mit nackten Oberkörpern. Auf dem einen steht: „Thanks Bomber Harris“. Es ist eine Erinnerung an Sir Arthur Travers Harris, der im zweiten Weltkrieg die Bombardierung Dresdens anordnete. Damals starben rund 25.000 Menschen.

Verräterisches Tattoo

Darf man sich mit so einem provokanten Slogan über die Befreiung Deutschlands von den Nazis freuen? Oder verhöhnt man damit die Opfer? Offen will sich jedenfalls niemand zu der Aktion bekennen. Der Berliner Kurier, ein links angehauchtes Boulevardblatt, enthüllte Anfang der Woche: Die Aktivistin mit dem Dankes-Slogan sei die Piratin Anne Helm. Sie ist nicht irgendeine Piratin. Sie steht für den linken Flügel, steht auf Platz fünf der Liste zur Europawahl, könnte demnächst im Brüsseler Parlament sitzen.

Laut Berliner Kurier bestreitet sie zwar, dass sie die abgebildete Person sei. Sie selbst ist derzeit per Telefon nicht zu erreichen. Und auch auf ihrem Twitter-Profil findet sich keine Stellungnahme – obwohl seit Tagen diskutiert wird. Das Tattoo auf den Fotos ist jedoch verräterisch, sie trägt das gleiche. Alles bislang Bekannte deutet darauf hin, dass sie es war.

Müssen wir Militärs danken?

Der Bundesvorstand der Piraten hat nun ein Statement von Anne Helm veröffentlicht. Kein Wort zur Frage, ob sie in Dresden dabei war. Dafür eine Art Rechtfertigung für die Aktion: „Den alliierten Streitkräften zu danken, die das Nazi-Regime besiegten, sehe ich nicht als falsch an. Kriegsopfer dürfen jedoch keinesfalls verhöhnt werden.“

Die Femen sind da schon deutlicher: Auf Facebook distanzieren sie sich von dem Dresden-Foto. Sie hätten „keinen Einfluss auf Aktionen, die von einzelnen Aktivistinnen oder Sympathisantinnen der Bewegung ohne Absprache durchgeführt werden“. Normalerweise zeigen die Femen-Aktivistinnen auch offen ihr Gesicht. „Die FEMEN Bewegung steht für Frieden und Gewaltlosigkeit und kann den Slogan zur Unterstützung vom dem Tod von tausenden unschuldigen Opfern in Dresden nicht unterstützen.“

Man kann darüber streiten, ob man mit dem Dank die Opfer verhöhnt. Man kann sich aber auch fragen, ob es sinnvollere Dinge gibt, als hochrangigen Militärs zu danken. Hat es denn keinen gewaltfreien Widerstand gegen die Nazis gegeben?

Merkwürdig ist jedoch auch die Doppelmoral mancher SPD- und CDU-Politiker, die sich nun über die Aktion echauffieren, gleichzeitig aber kein Problem damit haben, in einer Partei zu sein, die regelmäßig alle möglichen Kriege im Ausland unterstützt. Wenn es gerechtfertigte Militärangriffe gibt, dann ja wohl am ehesten gegen Nazi-Deutschland.

Keine Notstandsgesetze bei den Piraten

Anne Helm sollte sich zu ihrer Aktion bekennen. Das Abstreiten bringt doch nichts, man denke an das Tattoo. Als Parteilinke wird sie immer wieder heftig kritisiert. Das mag ihre Zurückhaltung erklären, ist aber keine Entschuldigung. Wenn sie einräumt, dass die Ehrung von Bomber-Harris falsch war, wäre das ein mutiger Schritt. Sie würde an Glaubwürdigkeit gewinnen und damit auch ihre linken Positionen stärken.

Als erstes aber sollten die Piraten-Techniker ihre Internetzensur beenden. Was gibt ihnen das Recht, sich über die Parteimehrheit hinwegzusetzen? Oder gibt es einen Vorstandsbeschluss, die Diskussionsplattformen abzuschalten? In der Erklärung zum „Warnstreik“ wird mit der Piraten-Satzung argumentiert. Aber ist dort auch irgendwo geregelt, unter welchen Umständen die parteiinterne Kommunikation lahmgelegt werden darf? Die Piraten haben keine Notstandsgesetze – und das ist gut so.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden