Das Kanonenpulver des Edward Snowden

Informationen Gerhard Schröder wurde überwacht? Das ist keine große Überraschung. Aber die Enthüllung nützt Edward Snowden in seinem Kampf gegen die Staatsmacht

Überraschung! Angela Merkel war nicht die einzige deutsche Politikerin, deren Handy vom US-Geheimdienst NSA abgehört wurde. Wer hätte das gedacht? Edward Snowden vielleicht? Er hatte schon vor einigen Tagen im ARD-Interview gesagt: „Wir wissen, dass Angela Merkel von der National Security Agency überwacht wurde. Die Frage ist, wie logisch ist es anzunehmen, dass sie das einzige Regierungsmitglied ist, das überwacht wurde.“

Viel deutlicher geht es nicht, schließlich – das hat Snowden selbst gesagt – will er selbst sich dazu nicht äußern. Ihm ist es lieber, wenn Journalisten die Informationen veröffentlichen.

Das dürfte zwei Gründe haben: Zum einen könnte ihm das eines Tages in einem möglichen Gerichtsprozess helfen, wenn sich nicht zweifelsfrei herausfinden lässt, wer wann welche Informationen weitergegeben hat. Zum anderen hilft dies auch moralisch: Snowden selbst muss sich in der Öffentlichkeit nicht dafür verantworten, Informationen bekannt gemacht zu haben, die US-amerikanischen Sicherheitsinteressen möglicherweise schaden. Das haben dann immer noch Journalisten entschieden.

Snowden gut versteckt

Nun also haben NDR und Süddeutsche Zeitung den angeblich so großen Scoop gelandet: Auch Gerhard Schröder wurde in seiner Zeit als Bundeskanzler von der NSA überwacht. Bekannt gegeben wurde das in der Tagesschau. Schon vor 20 Uhr machte die ARD ein Riesen-Tamtam. Auf Facebook wurde ein Bild mit mehreren geschwärzten Balken verbreitet, darüber ist zu lesen: „++ARD-EXKLUSIV+++ SPERRFRIST: 04.02.2014, 20:00 UHR++“.

Man kann das so machen. Aber warum wurde Edward Snowden so gut versteckt, als er vor eineinhalb Wochen exklusiv in der ARD das weltweit erste Fernsehinterview seit Monaten gegeben hat? Es lief am Sonntagabend nach 23 Uhr, vorher gab es in der Talk-Rund mit Günter Jauch bloß Ausschnitte zu sehen.

Selbst in der ARD fanden das einige merkwürdig. Der NDR-Abteilungsleiter für Dokumentation und Reportage verteidigt zwar die Entscheidung, er kann aber „grundsätzlich verstehen, dass man auf den Gedanken kommen kann, erst ein Interview zu senden und hinterher drüber zu reden.“ Vielleicht ist er gar nicht so abwegig, dieser Gedanke.

Häppchen-Journalismus

Und was lernen wir aus der Schröder-Handy-Affäre? Wohl am ehesten, dass Informationen als Waffen genutzt werden. Edward Snowden kann nicht all sein Kanonenpulver auf einmal verschießen. Stattdessen gelangen immer wieder neue Informationen an die Öffentlichkeit, es ist eine Art Häppchen-Journalismus. Die Diskussion wird ständig weiter befeuert. Wie bei Wikileaks.

Es stimmt: Der Skandal ist gut durchgeplant – aber nicht von vorne bis hinten. Das Ende ist offen. Snowden weiß nicht, was mit ihm passiert, wenn sein Asyl in Russland ausläuft. Ob er zurück in die USA muss, ob er wegen Geheimnisverrat verurteilt wird. Er wehrt sich dagegen mit aller Macht, und seine Waffen sind die Informationen, die er an Medien durchsickern lässt. Es ist ein Kampf zwischen der Staatsgewalt und der Öffentlichkeit. Ausgang offen.

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