Die Macht des Volkes

Energie Das Berliner Volksbegehren für ein öffentliches Öko-Stadtwerk hat genug Unterschriften gesammelt. Ein lokales Thema? Nein, für ganz Deutschland ist das ein Riesenerfolg

Manchmal ist am Paragrafen 20 des Grundgesetzes doch etwas dran: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. In Berlin haben 265.000 Menschen gezeigt, was das heißt: Sie wollen die ökologische Stadtwerke in öffentlicher Hand, haben für das Volksbegehren unterschrieben – genug für einen Volksentscheid. Nun ließe sich das zu einer lokalen Geschichte erklären, die für die Bundesrepublik keine Relevanz hat. Aber das ist falsch. Das Volksbegehren ist ein Riesenerfolg, vielleicht der größte umweltpolitische Erfolg, der überhaupt in diesem Jahr erzielt wurde.

Am heutigen Donnerstag trifft sich Angela Merkel mal wieder mit den Ministerpräsidenten der Länder zum Energiegipfel. Herauskommen wird dabei nicht viel. Das Volksbegehren aber schafft ganz konkrete Änderungen mit Symbol- und Vorbildcharakter. Berlin soll seinen Strom wieder selbst erzeugen und nicht der Kohle- und Atomkonzern Vattenfall. Das Netz soll zurück in Bürgerhand, Privatpersonen sollen Anreize zum Stromsparen bekommen.

Zum Sammeln nach Berlin gereist

Jahrelang war Privatisierung das Dogma der Politik. Nun wird umgedacht, als erstes von den Bürgern. Nun sollen öffentliche Leistungen wie die Stromversorgung wieder in die öffentliche Hand. Alleine deswegen ist das Volksbegehren ein Erfolg. Alleine deswegen ist es richtig, dass Leute aus ganz Deutschland nach Berlin ins Unterschriften-Sammelcamp gekommen sind und mitgeholfen haben.

In dem Schwarzwald-Ort Schönau haben die sogenannten Stromrebellen schon vor vielen Jahren vorgemacht, dass Bürger ihren Strom selbst produzieren und das Stromnetz übernehmen können. Nun ist es natürlich etwas anderes, ob ein städtisches Unternehmen oder eine Genossenschaft von Bürgern für die Stromversorgung zuständig ist. Die entscheidende Botschaft lautet jedoch: Auch in einer Millionen-Stadt muss die Elektrizität nicht von einem profitorientierten Großkonzern erzeugt werden. Dieser Beweis könnte bald in Berlin erbracht werden.

Von Gewerkschaften bis Linksradikalen

Das Volksbegehren ist aber auch so wichtig, weil es zeigt, dass Bürger nicht der herrschenden Politik ausgeliefert sind. Es wurden nicht nur symbolische Unterschriften gesammelt, die irgendwann übergeben werden und dann im Mülleimer landen. Nein, die Unterschriften haben tatsächlich etwas bewegt. Und die Aktion hat Leute aus allen Spektren zusammengebracht. In dem Bündnis sind Gewerkschaften genauso vertreten wie Parteien, Attac, Umweltverbände oder linksradikale Gruppen wie Fels.

Nun soll über den Gesetzestext vermutlich am 22. September abgestimmt werden, am Tag der Bundestagswahl. Zwar haben die in Berlin regierenden Parteien SPD und CDU ein Interesse, einen anderen Tag zu wählen, um die Wahlbeteiligung zu drücken. Andererseits wäre solch ein Manöver ziemlich durchsichtig und könnte die Befürworter der Initiative erst recht motivieren.

Eine gemeinsame Wahl von Stadtwerk und Bundestag hätte indes noch aus einem anderen Grund seinen Charme: Endlich würde gezeigt, dass zur Demokratie nicht nur die Wahl eines Parlaments gehört. Direkte Abstimmungen sind genauso wichtig.

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