Ein Sieg der Spitzenklasse

SPD-Basisentscheid Die meisten Sozialdemokraten stimmen für die Große Koalition - ein Sieg der Parteiführung, der gut vorbereitet war. Künftig muss der Basisentscheid demokratischer werden
Ist außer sich vor Freude: SPD-Chef Sigmar Gabriel
Ist außer sich vor Freude: SPD-Chef Sigmar Gabriel

Foto: AFP / Patrik Stollartz

Am Ende ist nochmal alles gut gegangen für Sigmar Gabriel. Bei der Abstimmung der SPD-Mitglieder haben sich drei Viertel für den Koalitionsvertrag mit der Union ausgesprochen. Damit ist die Strategie des SPD-Vorsitzenden Gabriel aufgegangen. Er hatte richtig kalkuliert: Die Basis würde die Parteiführung nicht stürzen.

Dass das Ergebnis für die Große Koalition so deutlich ausfällt, hat jedoch nicht nur damit zu tun, dass die Basis große Angst vor Neuwahlen hatte. Diese wären nach einem Scheitern der schwarz-roten Pläne durchaus wahrscheinlich gewesen und hätten wohl zu einer schwarz-gelben oder rein schwarzen Mehrheit im Parlament geführt. Nein, das Ergebnis des Mitgliederentscheids zeigt auch, wie stark die Parteispitze ihre Basis beherrscht. Es ist ein Sieg der SPD-Spitzenklasse. Und er wurde gut vorbereitet.

Einseitige Propaganda-Schlacht

Das beginnt damit, dass nicht in den SPD-Ortsvereinen abgestimmt wurde, sondern von zu Hause aus. Dies mag als Kleinigkeit erscheinen, aber davon hängt ab, wer überhaupt wählen geht. Bei der Briefwahl ist die Beteiligung höher – das ist gut und demokratisch. Aber es war eben auch ein taktisches Manöver der Parteispitze, so abstimmen zu lassen. In den Ortsvereinen hätten vor allem die aktiven Sozialdemokraten abgestimmen – also jene, die im Sommer auf der Straße standen und Wahlkampf gegen CDU und CSU gemacht haben.

Hinzu kommt, dass bei der Briefwahl die Meinungsbildung viel leichter im Sinne der Parteiführung gesteuert werden konnte. Das einzelne Mitglied tauscht sich nicht mit anderen Genossen aus, liest stattdessen die beigelegten SPD-Werbematerialien für den Koalitionsvertrag. Auch auf der SPD-Homepage sind bloß die Vorteile aufgelistet. Die Abwesenheit von Kritik ist besonders fatal, weil der Koalitionsvertrag so geschrieben ist, dass er sich wunderbar liest, solange man nicht bemerkt, welche Forderungen alle fehlen.

Bei Volksentscheiden gibt es eine Broschüre, in der Befürworter und Gegner des Vorhabens zu Wort kommen. Dieser Standard sollte auch für Mitgliederentscheide der SPD gelten. Die einseitige Propaganda-Schlacht muss ein Ende haben.

Ministerposten werden verheimlicht

Zudem ist es inakzeptabel, dass die Mitglieder über die künftigen SPD-Minister im Unklaren gelassen wurden. Natürlich sollte es nicht nur um Köpfe, sondern vor allem um Inhalte gehen. Trotzdem ist auch klar, dass im Koalitionsvertrag nicht jede Kleinigkeit geregelt sein kann und dass die konkrete Politik in den kommenden vier Jahren stark von den Leuten abhängt, die am Kabinettstisch sitzen. Und wenn diese Leute schon feststehen, dann ist es unfair, die Liste zu verheimlichen. Zu echter Demokratie gehört auch Transparenz.

Als das Ergebnis des Mitgliederentscheids vorgestellt wurde, hat Sigmar Gabriel gesagt: "Wir sind die Beteiligungspartei in Deutschland." Das ist wohl etwas hoch gegriffen. Wenn die SPD wirklich eine "Beteiligungspartei" werden will, muss sie den Basisentscheid demokratischer machen: Volle Transparenz und gleiche Rechte für Befürworter und Gegner eines Vorhabens.

Bei der Gelegenheit könnte man auch gleich die Hürde abschaffen, die besagt, dass das Ergebnis nur gilt, wenn mindestens 20 Prozent der Mitglieder abgestimmt haben. Diesmal haben zwar fast 78 Prozent mitgemacht, trotzdem wird es bei einer echten "Beteiligungspartei" auch mal Fragen geben, die nicht für alle Mitglieder so interessant sind, dass sie wählen. Und wenn es schon eine Abstimmung gibt, warum sollte man das Ergebnis nicht ernst nehmen?

Fragwürdige Motive

Dass die SPD-Führung die Basis über eine so wichtige Frage wie den Koalitionsvertrag hat abstimmen lassen, hatte verschiedene Gründe. Sicherlich war es auch ein taktischer Spielzug, um bei den Verhandlungen mit der Union mehr rausholen zu können – so konnten die SPD-Verhandler argumentieren: Wenn ihr uns nicht entgegenkommt, kriegen wir das Programm bei unserer Basis nicht durch. Zudem hat der Entscheid der Partei mehr neue Mitglieder gebracht.

Was auch immer die Ausschlag gebenden Gründe waren: Es ist richtig, die Parteimitglieder über solch wegweisenden Fragen abstimmen zu lassen. Verfassungsrechtliche Bedenken sind Quatsch, in Zukunft sollte der Mitgliederentscheid zum Standard werden. Nachdem er demokratischer gemacht wurde.

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