Endlich ist sie weg, die Extremismusklausel. Von Anti-Nazi-Initiativen verhasst, von der Justiz beanstandet, von den Sozialdemokraten abgeschafft. Die SPD-Familienministerin Manuela Schwesig hat sich jetzt durchgesetzt gegen ihren CDU-Kollegen aus dem Innenressort, Thomas de Maizière.
Wer sich gegen Rechtsextremismus engagieren möchte und dafür staatliche Gelder beantragt, braucht künftig nicht zu unterschreiben, dass dies den Zielen des Grundgesetzes dient. Damit stehen engagierte Bürger nicht mehr unter dem Generalverdacht des sogenannten Linksextremismus. Dieser Schritt ist überfällig, aber er reicht nicht aus.
Gesinnungsschnüffelei
Es war eine Ungeheuerlichkeit, die sich Schwesigs Vorgängerin, die CDU-Ministerin Kristina Schröder, ausgedacht hatte: Anti-Nazi-Initiativen sollten sich nicht nur zur Verfassung bekennen, sie sollten auch ihre Bündnispartner auf ihre Verfassungstreue überprüfen. In anderen Worten: Gesinnungsschnüffelei im Auftrag des Staats.
Die CDU-geführte Landesregierung von Sachsen kopierte die Regel. Dann klagte ein Verein dagegen, das Dresdner Verwaltungsgericht erklärte die Klausel für unrechtmäßig, die Formulierung wurde leicht entschärft.
Im Bund haben sich jetzt Familien- und Innenministerium darauf geeinigt, zur alten Handhabung zurückzukehren: Im Zuwendungsbescheid an die geförderten Vereine wird darauf hingewiesen, dass Steuergeld nicht an extremistische Organisationen gegeben werden darf. Eine gesonderte Erklärung mit Unterschrift ist nicht mehr nötig. Auch das sächsische Innenministerium prüft nach dieser Einigung „Vereinfachungen im praktischen Verwaltungsverfahren“.
Problem: Die Extremismustheorie
Aber ist damit so viel gewonnen? Der Generalverdacht ist weg, die Extremismustheorie bleibt. Haben linke Aktivisten mit ihren Utopien einer gerechteren Welt denn wirklich so viele Gemeinsamkeiten mit Nazis und ihrer menschenverachtenden Ideologie? Sind das Gemeinsamkeiten, die es rechtfertigen, beide Gruppen unter dem Stichwort „Extremisten“ zusammenzufassen?
Der deutsche Inlandsgeheimdienst informiert in seinen Jahresberichten angeblich über „verfassungsfeindliche Bestrebungen“. Welche Personen und Gruppen als „extremistisch“ gelten, hängt jedoch stark davon ab, welche Meinungen im politischen Mainstream als akzeptabel gelten und welche nicht.
Mit der Verfassung hat das nicht viel zu tun. Schließlich wäre selbst das Überwinden des Kapitalismus durch das Grundgesetz gedeckt. Enteignungen zum Wohl der Allgemeinheit sind in den Artikeln 14 und 15 ausdrücklich erlaubt, eine bestimmte Wirtschaftsordnung wird in der Verfassung nicht vorgeschrieben.
Extremismus hat auch nichts mit Gewaltbereitschaft zu tun. In den Verfassungsschutzberichten werden regelmäßig auch Pazifisten und andere Aktivisten aufgeführt, die sich explizit zur Gewaltfreiheit bekennen.
Die Politik sollte sich von der Extremismustheorie verabschieden. Ein staatliches Programm gegen sogenannten Linksextremismus – von Kristina Schröder eingeführt – gehört schnellstens wieder abgeschafft. Bleibt zu hoffen, dass sich Familienministerin Manuela Schwesig auch von diesem Erbe ihrer Vorgängerin trennt.
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