Geheim, geheimer, TTIP

Intransparenz Die EU-Kommission beschränkt den Zugang von Abgeordneten zu Dokumenten über die Freihandelsverhandlungen. Das wird Leaks nichts verhindern, beschädigt aber die Demokratie
Ausgabe 34/2015
Abkommen durch die Hintertür: TTIP-Gegner protestieren in Brüssel mit einem Trojanischen Pferd gegen die Verhandlungen
Abkommen durch die Hintertür: TTIP-Gegner protestieren in Brüssel mit einem Trojanischen Pferd gegen die Verhandlungen

Foto: Thierry Roge/AFP/Getty Images

Das Freihandelsabkommen TTIP hat keinen guten Ruf: Vertreter von EU und USA verhandeln hinter verschlossenen Türen, am Ende drohen vielleicht niedrigere Sozial- und Umweltstandards. Die EU-Kommission will daher das Image aufpolieren und hat eine große Transparenz-Offensive gestartet. In Wirklichkeit passiert gerade das Gegenteil: Der Zugang zu wichtigen Dokumenten über die bislang letzte Verhandlungsrunde wird eingeschränkt.

Die Papiere werden nicht mehr verschickt. Wenn sich Europaabgeordnete oder Minister der einzelnen Staaten informieren wollen, müssen sie nun nach Brüssel fahren, um dort zu bestimmten Uhrzeiten in einem sicheren Lesesaal Einblicke zu erhalten. Damit will die EU-Kommission verhindern, dass geheime Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, wie es in der Vergangenheit schon öfter der Fall war. Die Maßnahme der Kommission verfehlt jedoch nicht nur ihr Ziel, sie beschädigt auch die europäische Demokratie.

Chance für die Zivilgesellschaft

Wer den Inhalt der Geheimpapiere öffentlich machen will, kann die Texte heimlich abschreiben oder nachträglich aus dem Kopf rekonstruieren. Alles kompliziert, aber möglich. Wer hingegen nur aus Interesse einen Blick in die Dokumente werfen will, lässt sich von einer Fahrt nach Brüssel abhalten.

Die Mitgliedsstaaten durften die Dokumente bislang auch an nationale Parlamente weitergeben – solange sie vertraulich blieben. Klar. Wie sollen sich die Abgeordneten eine Meinung zu TTIP bilden, wenn sie gar nicht wissen, was genau verhandelt wird? Aus diesem Grund ist es aber auch richtig, dass wichtige Dokumente den Weg an die Öffentlichkeit finden. Nur so kann sich die Zivilgesellschaft einbringen, nur dann hat eine Protestbewegung eine Chance. Das gehört zur Demokratie.

Geschwächte Verhandlungsposition?

Die EU-Kommission hat jedoch Angst vor dem Unmut der Bevölkerung. Das sagt sie aber nicht. Stattdessen argumentiert sie, die Veröffentlichungen geheimer Dokumente „schwächen unsere Verhandlungsposition und machen es schwieriger, das beste Ergebnis im Interesse Europas (…) zu erzielen“.

Das überzeugt aber nicht. Erstens muss die Kommission ja nicht unbedingt ihre Verhandlungstaktik veröffentlichen, wohl aber sollte sie Berichte und die Originaldokumente aus den Verhandlungen offenlegen. Die sind den USA ohnehin bekannt. Zweitens könnte sie die USA unter Druck setzen, ebenfalls transparenter zu werden. Das schafft Waffengleichheit. Und drittens stellt sich – zumindest für Politiker mit Idealen – die Frage, ob es per se gut ist, wenn europäische Interessen sich gegen die US-amerikanischen durchsetzen.

Friss oder stirb

Dürfen die TTIP-Verhandlungen nicht geheim sein? Wenn in Deutschland Gesetze gemacht werden, stimmen sich die Ministerien auch vorher ab und die Entwürfe sind nicht öffentlich. Das ist aber nicht vergleichbar, weil der Bundestag die Vorlage noch ändern kann. Bei einem internationalen Abkommen gilt: Ja oder Nein. Friss oder stirb. Daher ist es wichtig, dass sich die Parlamente schon vorher äußern können. Andere internationale Vereinbarungen sind zwar auch nicht immer transparent, die berühren aber auch oft nationale Sicherheitsinteressen. Ein öffentlicher TTIP-Vertragsentwurf hingegen gefährdet ganz sicher niemanden.

Für die europäischen Verhandler mag es umständlich sein, wenn die eigene Arbeit von der Öffentlichkeit beobachtet und kritisiert wird. Aber es behauptet auch niemand, dass Demokratie einfach wäre.

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