Hilft eine SMS gegen das Schuleschwänzen?

Piep Piep In einem Modellprojekt werden Schüler per Handy an ihren Unterricht erinnert. Die SMS scheint auf den ersten Blick nützlich, in Wirklichkeit ist die Neuerung gefährlich
Ausgabe 14/2014
Wie unchillig: Wer will schon beim Blaumachen mit Nachrichten aus der Schule belästigt werden?
Wie unchillig: Wer will schon beim Blaumachen mit Nachrichten aus der Schule belästigt werden?

Foto: Matt Cardy/ AFP/ Getty Images

Manchmal kann eine SMS Wunder bewirken. Glaubte zumindest die Berliner Landespolitik, als sie ein Modellprojekt gegen das Schuleschwänzen beschloss. An zehn Schulen sollte getestet werden, ob sich die Fehlzahlen verringern, wenn die Schüler per Handy an ihr Fernbleiben erinnert werden. Inzwischen ist das Modellprojekt auf eine Berufsschule geschrumpft und die Politik wäre gut beraten, das Vorhaben nach der Proberunde zu beerdigen.

Prinzipiell lässt sich wenig dagegen einwenden, wenn Schüler freiwillig einen Erinnerungsservice in Anspruch nehmen. Allerdings nützt das nichts gegen das Schwänzen, da geht es schließlich um bewusstes Fernbleiben. Wer schlicht zu dumm ist, sich selbst einen Wecker zu stellen und sich lieber fünf Minuten nach Unterrichtsbeginn von einer SMS ins Klassenzimmer beordern lässt, hat an einer Berufsschule nichts verloren. Und Schüler mit extremen Motivationsproblemen sind eher ein Fall für die Psychologin.

Die Anti-Schulschwänz-SMS wirkt nur auf den ersten Blick nützlich, auf den zweiten ist sie gefährlich. Nicht bloß, weil sie zusammen mit einem elektronischen Klassenbuch eingeführt wird. Dort geht es um sensible Daten, die sicher gespeichert werden müssen. In Österreich hat es an einer so technisch aufgerüsteten Schule schon ein Datenleck gegeben, tausende Mail-Adressen von Lehrern waren abrufbar.

Der gläserne Schüler

Die Anti-Schulschwänzer-SMS öffnet vor allem aber auch die Tür für weitere Überwachung. Folgendes Szenario ist denkbar. Schritt eins: Die SMS wird verpflichtend. Schritt zwei: Nicht nur an Berufsschulen, sondern auch an Grundschulen gibt es die SMS. Schritt drei: Auch die Eltern minderjähriger Schüler erhalten die Nachricht aufs Handy.

Das wäre dann endgültig der gläserne Schüler. Auch für Verfechter der Schulpflicht gibt es gute Gründe, gegen die Totalüberwachung zu sein. Wer will schon in einer Welt leben, in der richtiges und falsches Verhalten ganz eng definiert sind? In der es keinen Platz für Fehlertoleranz gibt? In der die Autoritäten jeden Gelegenheitsschwänzer unterbittlich verfolgen? Schließlich darf man bezweifeln, dass ein paar Fehltage überhaupt das angestrebte Ziel der Schulpflicht gefährden, nämlich allen eine gute Bildung zu ermöglichen.

Demokratische Schulen zeigen schon heute, wie das Lernen in Zukunft aussehen kann. Ohne Zwang, dafür mit Spaß. Jeder Mensch ist von Natur aus neugierig und will die ganze Welt entdecken. Und diese Neugier ist eine ungleich stärkere Kraft als jede SMS, die zum Unterricht ruft.

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