Im Bett mit Bouffier

Hessen Die Grünen wollen mit der CDU koalieren, sie brechen dafür sogar ihr zentrales Wahlversprechen. Das zeigt: Die bisherige Taktik der Parteilinken geht nicht auf
Ausgabe 48/2013
Nicht im Bett aber doch schon ganz nah: Volker Bouffier (li.) und Tarek Al Wazir (re.)
Nicht im Bett aber doch schon ganz nah: Volker Bouffier (li.) und Tarek Al Wazir (re.)

Foto: Thomas Lohnes/ AFP/ Getty Images

Was gerade als besonders mutig gefeiert wird, ist in Wahrheit ein dreister Bruch eines zentralen Wahlversprechens: Die hessischen Grünen verhandeln mit der CDU über eine Koalition. Noch vor drei Monaten hatte die Partei im Wahlkampf erklärt: „Wer Linkspartei oder Piraten wählt, wacht mit Volker Bouffier als Ministerpräsident auf.“ Die Überlegung: Nur mit Rot-Grün gebe es eine neue Regierung. Die Grünen stünden „verlässlich und klar für den Wechsel“. Nun ist es umgekehrt: Die Grünen-Wähler wachen plötzlich mit Bouffier auf.

Das heraufziehende erste schwarz-grüne Bündnis in einem Flächenstaat ist nicht nur eine Niederlage für die Linken innerhalb der Grünen. Es ist auch ein Problem für die ganze Partei. Denn wenn die Grünen nicht mehr eindeutig links zu verorten sind, werden sie zum Mehrheitsbeschaffer ohne Profil.

Zumal auch nicht absehbar ist, dass sie mit einem CDU-Ministerpräsidenten Volker Bouffier in Hessen ökologische Akzente setzen könnten, wie es bei Schwarz-Grün im Bund sogar noch vorstellbar wäre. Man denke bloß an den Ausbau des Frankfurter Flughafens, bei dem die hessische Union stets auf stur schaltete.

Gepflegte Feindschaften

Das Beispiel Hessen sollte dem linken Flügel der Grünen zeigen, dass die bisherige Taktik nicht aufgeht: Viele sind offen für Kontakte mit der Union, damit im Gegenzug die Realos nichts gegen Gespräche mit der Linkspartei einwenden können. Nur bringt ihnen das nichts, und das liegt noch nicht einmal an ihnen selbst. Bisher jedenfalls ist ein rot-rot-grünes Bündnis nicht an der Ökopartei gescheitert, sondern an der gegenseitigen Abneigung zwischen SPD und Linkspartei. Das wird sich auch so schnell nicht ändern.

Zwei im Kern sozialdemokratische Parteien wollen sich nicht nur voneinander abgrenzen – sie pflegen auch immer noch ihre persönlichen Feindschaften. Für die einen sind die Linken die Abtrünnigen, für die anderen sind die Sozialdemokraten die Verräter.

Könnte ein schwarz-grünes Regierungsbündnis in Wiesbaden nicht wenigstens Linke und SPD in der Opposition etwas mehr zusammenbringen? Doch ist die große Annäherung allein deswegen schon nicht zu erwarten, weil die gemeinsame Oppositionsrolle nur daraus resultiert, dass sich die beiden Parteien nicht zur Bildung einer rot-rot-grünen Regierung durchringen konnten. SPD und Linke wollen unterscheidbar bleiben, sonst entfiele ihre Existenzberechtigung.

Etwas mehr Machtinstinkt

Vielleicht kann die SPD aus den Koalitionsgesprächen zwischen Volker Bouffier und Tarek Al-Wazir doch noch etwas lernen? Es sollte ihr jedenfalls zu denken geben, dass ausgerechnet der konservativste CDU-Verband der Republik mit den Grünen ein Bündnis schmieden will. Die Entfernung, die dabei zwischen den beiden Parteien überbrückt werden muss, ist weit größer als zwischen SPD und Linken.

Für die Sozialdemokraten war es ein Wendepunkt, als der Parteitag kürzlich beschloss, Allianzen mit der Linkspartei künftig nicht mehr kategorisch auszuschließen. Nur will niemand von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Die Christdemokraten sind da anders gestrickt. Wenn es ihnen in den Kram passt, schließen sie Koalitionen auch mit dem Erzfeind von gestern. Weniger Theorie, mehr Praxis – manchmal würde mehr Machtinstinkt auch den Linken gut tun.

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